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Schwedens neuer Ministerpräsident Stefan Löfven.
© dpa

Schweden: Rot-grüne Premiere

In Stockholm regiert zum ersten Mal Rot-Grün – eine eigene Mehrheit hat der neue Premier Löfven nicht

Neuland in der schwedischen Politik: Seit Freitagmittag hat das Land erstmals eine rot-grüne Regierung – die allerdings im Reichstag keine eigene Mehrheit hat. Mit nur 38 Prozent der Stimmen bei den Wahlen ist der Rückhalt für die Koalition aus Sozialdemokraten und Grünen im Parlament historisch gering. „Schweden befindet sich in einer schwierigen Situation, die Zusammenhalt und gemeinsame Verantwortung verlangt“, sagte denn auch der neue Ministerpräsident Stefan Löfven zu Beginn seiner Regierungserklärung. Der 57-jährige gelernte Schweißer verkörpert wie nur wenige Politiker in Schweden den sozialdemokratischen Traum einer nach oben offenen Gesellschaft. Zugleich ist er der erste Ministerpräsident, der direkt aus der Gewerkschaftsbewegung kommt – und der erste, der über keinerlei parlamentarische Erfahrung verfügt.

Ruhig und unspektakulär

Die Regierungserklärung war Löfvens erste Rede im Parlament und er präsentierte sie in der ihm eigenen ruhigen, unspektakulären Art. Im innenpolitischen Teil seiner Regierungserklärung listete Löfven eine Vielzahl von Themen auf – ohne ins Detail zu gehen. Mit staatlich geförderten Traineejobs und einer Verlängerung der Schulpflicht bis 18 Jahre will seine Regierung die hohe Jugendarbeitslosigkeit verringern; höhere Lehrergehälter und kleinere Klassen sollen die schlechten Pisa-Resultate verbessern; die Kernkraft soll durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Zudem schafft Rot-Grün in Schweden das Betreuungsgeld ab.

Anerkennung Palästinas

Zur Außenpolitik erklärte Löfven unter anderem, seine Regierung Palästina werde als Staat anerkennen. „Der Konflikt zwischen Israel und Palästina lässt sich nur durch eine Zwei-Staaten-Lösung klären.“ Die konservative Regierung unter Fredrik Reinfeldt hatte dies noch abgelehnt. Zuständig für die Außenpolitik ist in der neuen rot-grünen Regierung eine alte Bekannte: die Sozialdemokratin Margot Wallström, ehemalige Kultur- und Sozialministerin, langjährige EU-Kommissarin und eine der beliebtesten Politikerinnen des Landes. Auch unter seiner Ägide, das machte Löfven deutlich, werde Schweden keine Nato-Mitgliedschaft anstreben. Spekulationen darüber hatten wegen der Ukrainekrise in den vergangenen Monaten neue Nahrung bekommen.

Handschrift der Sozialdemokraten

Im Zuge der Koalitionsverhandlungen hatten Kritiker den Grünen vorgeworfen, ihre politische Seele für den Preis einer erstmaligen Regierungsbeteiligung zu verkaufen. Tatsächlich trägt vieles in der Regierungserklärung die Handschrift der Sozialdemokraten. Doch Löfven kompensierte den Juniorpartner bei der Vergabe der Ministerposten. Die Grünen stellen sechs der insgesamt 24 Minister. Sie erhalten unter anderem ihre Traumposten: Die beiden Parteispitzen, Åsa Romson und Gustav Fridolin, werden Umwelt- beziehungsweise Ausbildungsminister.

Ein Neuling für die Kultur

Die größten Schlagzeilen machte allerdings die Ernennung der Kulturministerin. Der Auftrag geht an die 42-jährige Alice Bah Kuhnke, die erst vor drei Tagen Mitglied bei den Grünen wurde und damit wohl eine einzigartig schnelle Parteikarriere hinlegte. Bah Kuhnke, Tochter einer schwedischen Mutter und eines gambischen Vaters, machte Karriere als Moderatorin des Fernsehprogramms „Disneyklubben“, später hatte sie eine eigene Talkshow, zuletzt war sie Chefin des staatlichen Amtes für Jugendpolitik. Auf der politischen Bühne ist sie ein Neuling. Für Überraschung sorgte auch die Abschaffung des Integrationsministeriums in einer Zeit, in der gerade die Migrations- und die Integrationspolitik eine übergeordnete Rolle spielen. Löfvens Begründung für diesen Schritt: „Der Weg hinein nach Schweden und das Recht auf Arbeit und Wohlfahrt – das ist eine Frage für alle.“

Ausgewogenes Kabinett

In Löfven Team sind zwölf Frauen und zwölf Männer, einige Minister haben einen Migrationshintergrund und auch die Altersverteilung stimmt. Selten zuvor war ein Ministerpräsident so auf das Funktionieren seines Kabinetts angewiesen. Denn bei jeder Entscheidung gilt es, Unterstützer außerhalb der eigenen Reihen zu finden. Da sind die Linken, die Löfven bei den Regierungsverhandlungen abblitzen ließ, und da ist die „Allianz“, das abgewählte bürgerlich-liberale Vier-Parteien-Bündnis. Löfvens großes Ziel ist es, die „Allianz“ aufzubrechen und über traditionelle Rechts-Links-Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten. Viele Schweden begrüßen Meinungsumfragen zufolge eine solche Kooperation. Die „Allianz“ aber zeigt Löfven die kalte Schulter. Bleiben die nationalistischen Schwedendemokraten, die nach ihrem Wahlerfolg mit 13 Prozent der Stimmen erstmals drittstärkste Partei im „Riksdag“ sind. Ihre Unterstützung möchte Löfven nicht haben.

Karin Bock-Häggmark

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