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Nach seiner Europareise erntet Romney harte Kritik. Seine Reden sind zum Teil mit falschen Fakten versehen und Palästina wirft ihm Rassismus vor.
© dapd

US-Wahlkampf: Romney blamiert sich in Europa

US-Präsidentschaftskandidat Mitt Romney gewinnt bei seiner Europareise nicht nur wenig außenpolitisches Profil, man wirft ihm sogar Rassismus vor. Das Ziel, sein Ansehen zu erhöhen, hat er verfehlt.

Die sechstägige Reise nach Großbritannien, Israel und Polen, mit der der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney seine außenpolitische Kompetenz unterstreichen wollte, wird in den USA unterschiedlich bewertet. Medien rechts der Mitte wie das „Wall Street Journal“ beschreiben die Tour, die am Dienstag in Danzig endete, als eine insgesamt erfolgreiche Pflichtübung, die allerdings von ein paar Pannen überschattet wurde. Das Blatt interpretiert freundliche Worte prominenter Gesprächspartner als Wahlempfehlung zugunsten Romneys und gegen Amtsinhaber Obama. Als Beleg zitiert es den Ex-Gewerkschaftsführer und Friedensnobelpreisträger Lech Walesa mit den Worten: „Ich wünsche, dass er erfolgreich ist, denn die USA sind auf diesen Erfolg angewiesen und Europa natürlich auch.“

Zeitungen links der Mitte stellen in den Vordergrund, dass Romney in jedem Land mit ungeschickten Äußerungen Verwunderung und Kritik ausgelöst habe. Sie vergleichen seine Tour mit einer ähnlichen Reise Barack Obamas als Kandidat 2008, die pannenfrei verlief und bei der er für seine einfühlsame Wortwahl gelobt wurde. Die „Washington Post“ bilanziert Romneys Reise: „Er hat sich von Obama abgehoben, aber auf eine Weise, die er nicht beabsichtigt hatte.“ Die „New York Times“ kommentiert, der Probelauf dafür, was Romney in der Außenpolitik anders machen würde, sei „nicht ermutigend“.

Einig sind sich beide Lager, dass der Verlauf der Reise kaum Einfluss auf den Wahlausgang haben werde. Romney habe sein Ziel, sein Ansehen zu erhöhen, nicht erreicht. Aber die Wahl werde durch das Bild der Bürger von der wirtschaftlichen Lage entschieden. In neuen Umfragen halten 52 Prozent Obama für den besseren Außenpolitiker und 40 Prozent Romney. In der Wirtschaftspolitik ist es umgekehrt: 49 Prozent trauen Romney da mehr zu, 41 Prozent Obama.

Bildergalerie: Der US-Wahlkampf, Romney-Obama

Wie schon in England prägten auch in Israel und Polen kritische Schlagzeilen das Bild der Romney-Reise. In London hatte er mit unbedachten Äußerungen, ob London sich ausreichend auf Olympia vorbereitet habe, Ärger ausgelöst. In Jerusalem stifteten Bemerkungen zum Wirtschaftsgefälle zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten Verwirrung und lösten scharfe Proteste der Palästinenser aus; sie warfen ihm „Rassismus“ vor. US-Medien heben hervor, dass Romney, der sich gern seiner Wirtschaftskompetenz rühmt, falsche Zahlen benutzte.

In der Rede schnitt Romney eine Lieblingsthese an, die er aus dem Buch „The Wealth and Poverty of Nations“ von David Landes übernommen hat: Die nationale Kultur eines Volkes sei ein ausschlaggebender Faktor für ökonomischen Erfolg. Ihm falle auf, dass Israel ein vitales Land mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 21 000 Dollar sei, während es in den palästinensisch verwalteten Gebieten nur 10 000 Dollar betrage. Auch anderswo gebe es ein so starkes Gefälle zwischen Nachbarn, zum Beispiel zwischen den USA und Mexiko oder zwischen Chile und Ecuador, und das ergebe sich aus kulturellen Unterschieden.

Tatsächlich ist das israelische Pro- Kopf-Einkommen laut US-Medien anderthalb mal größer, das palästinensische hingegen fünf Mal kleiner als von Romney angegeben. Palästinensische Führungsfiguren wie Hanan Ashrawi und Saeb Erekat warfen Romney vor, dass er die Hindernisse für die Wirtschaftsentwicklung, die sich aus der israelischen Besatzung, den regelmäßigen Grenzschließungen und Sanktionen ergeben, gar nicht erwähnt habe. Zusätzlichen Zorn löste Romneys Bemerkung aus, dass Jerusalem für ihn die Hauptstadt Israels sei und die USA ihre Botschaft dorthin verlegen sollten. Laut internationaler Übereinkunft soll der Status Jerusalems in Friedensverhandlungen festgelegt werden. Die westlichen Staaten haben ihre Botschaften in Tel Aviv.

Auch in Polen gab es nicht nur lobende Worte für Romney wie aus Walesas Mund. Die aktuelle Führung der Gewerkschaft Solidarnosc hob hervor, dass Romney sich in den USA durch Angriffe auf Gewerkschaften und Arbeitnehmerrechte hervortue.

Romneys Wahlkampfstrategen reagieren auf die Kritik mit zusammengebissenen Zähnen. Sie haben die Bilder, die den Kandidaten mit ausländischen Regierungschefs und Staatspräsidenten zeigen – und hoffen, dass der Kontext bald vergessen ist.

Christoph von Marschall

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