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Angezählt? Der Chef des Robert-Koch-Instituts Lothar Wieler.
© imago images/Chris Emil Janßen

Zahlenchaos und „Schock-Prognosen“: RKI-Chef Wieler sitzt auf wackligem Posten

Der RKI-Chef mahnt immer wieder die Politik, selbst aber konnte er über Weihnachten keine validen Zahlen liefern. Das kommt nicht gut an. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Der Mann hat einen undankbaren Job: Lothar Wieler, Fachtierarzt für Mikrobiologie, seit 2015 verbeamteter Präsident des Robert-Koch-Instituts. Denn nie war das RKI so wichtig wie heute, und das gilt auch für den Chef.

Die Daten des Instituts, vom Präsidenten vorgestellt, sind Grundlage für die Entscheidungen in der Corona-Politik. Ob R-Wert oder Hospitalisierungsindizenz – dass die Gesellschaft in der Pandemie solche Begriffe kennt, hat auch mit Wieler zu tun.

Die Gesundheitsminister mögen wechseln, der RKI-Chef bleibt. Oder doch nicht? Zahlenchaos wird Wieler und seinem Institut nicht zum ersten Mal vorgeworfen, dazu „Schock-Prognosen“, die dann nicht eintreffen, aber vorher zu neuen Lageeinschätzungen der Regierungen von Bund und Land geführt haben.

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Wieler ist zum Gesicht der Corona-Warner geworden. Doch die „mögliche Spannbreite“ der Corona-Entwicklung „sei stark in Richtung Worst-Case-Szenario interpretiert“ worden, heißt es auf Seite der Kritiker.

Deren Zahl nimmt zu, auch bei Abgeordneten der Koalition. Sie fürchten, dass das Vertrauen der Bürger in die Politik Schaden nimmt.

Das Vertrauen der Politik in Wieler hat schon mal Schaden genommen. Sein im Verlauf der Pandemie gewachsenes Selbstbewusstsein, das deutlich veränderte Selbstverständnis wird manchem zunehmend zum Ärgernis.

Besonders augenfällig wurde das, als Wieler in der letzten Pressekonferenz von Jens Spahn eine unabgesprochene Schweigeminute für Corona-Opfer einlegte.

Der RKI-Chef steht unter Beobachtung. Auch von ganz oben, vom Kanzleramt. Es kommt nicht gut an, dass Wieler die Politiker immer wieder mahnt, aber beispielsweise über Weihnachten und Neujahr die Inzidenzzahlen nicht valide waren. Dabei hätte dafür Vorsorge getroffen werden können und sollen, mittels einer repräsentativen Gruppe von Testpersonen.

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Immerhin bemüht sich Bundeskanzler Olaf Scholz seit Amtsantritt, Souveränität im Umgang mit Corona zu dokumentieren, Ruhe in die Expertendebatten zu bringen und Vertrauen zu schaffen, dass die Politik weiß, was sie tut.

Aus seinen bisherigen Ämtern, darunter Regierungschef in Hamburg, ist bekannt, dass er bei mangelnder Leistung unbequem werden kann. Bei Quertreibereien erst recht.

Der Falsche für Kanzler Scholz?

Als das RKI unlängst nach einer Sitzung im vom Scholz begründeten Expertenrat, dem Wieler angehört, unabgestimmt eine dramatisch abweichende Meinung vertrat – obwohl das Gremium vorher einstimmig votiert hatte –, dachten einige schon: Das war‘s. Scholz war sauer, Gesundheitsminister Karl Lauterbach, dem Wieler untersteht, auch. Einer, der sich so verhält, dann noch die Öffentlichkeit schockiert, verunsichert – das ist der Falsche für diesen Bundeskanzler.

Doch es sollte Weihnachtsfriede herrschen. Der ist vorbei. Es liegt an Wieler, wie undankbar der Job für ihn wird.

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