Politik: Richter im Kreuzverhör
Bushs Kandidat für den Obersten Gerichtshof steht unter Druck – er ist den Demokraten zu konservativ
Samuel Alito schlägt sich wacker. Zur Mitte der Anhörungswoche im Justizausschuss des Senats ist unklar, wie die Demokraten Präsident Bushs Kandidaten für den offenen Sitz am Obersten Gericht stoppen wollen. Ginge es nach der öffentlichen Meinung, würde Alito mit ähnlich überwältigender Mehrheit bestätigt wie im Herbst der neue Vorsitzende des Supreme Court, John Roberts. In Umfragen ist die Hälfte der Demokraten-Basis für Alitos Ernennung.
Die Zeitungen machen sich nach den ersten Sitzungen über Demokraten lustig, die den bisherigen Richter an einem Bundesappellationsgericht „grillen“ wollten. Unter der Überschrift „Genug geredet, Richter – jetzt will ich mal was sagen“ rechnet die „New York Times“ vor, dass einige von ihnen vor laufenden Kameras drei Mal so viel Zeit für die Ausbreitung eigener Ansichten verschwendeten, wie sie Alito für die Beantwortung ihrer kritischen Fragen ließen. Das Blatt kommt zu dem Schluss: Alito ist ein harter Brocken für die Senatoren. Auch die millionenschwere Kampagne Bush-kritischer Organisationen und Lobbygruppen, die Alito in Fernsehspots und Zeitungsanzeigen als erzkonservativen Abtreibungsgegner, Feind von Minderheitenförderung und Gefahr für die Bürgerrechte darstellen, scheint zu verpuffen.
Und doch wird das kein Spaziergang durch das Ernennungsverfahren wie bei Roberts – aus drei Gründen. Mit dem neuen Jahr hat der offene Wahlkampf für die Kongresswahl im November begonnen. Mit Alito ist zudem, schematisch gesehen, ein Richtungswechsel verbunden. Der neue Vorsitzende John Roberts ersetzte den langjährigen „Chief justice“ William Rehnquist, ein Liberalkonservativer für einen Rechtskonservativen. Sandra O’Connor dagegen, deren Platz Alito einnehmen soll, wurde zwar von Bushs Vorbild Ronald Reagan ernannt, erwies sich aber als Liberale, die oft den entscheidenden „swing vote“ für eine progressive Entscheidung beisteuerte.
Drittens hat der Kandidat mehr als genug Anlass für Zweifel gegeben, auch jüngst noch, als er Verständnis für Bushs Anordnung äußerte, Telefonate von Terrorverdächtigen ohne richterliche Genehmigung abhören zu lassen. Zusammen mit den Schriftsätzen aus Alitos mehr als zwanzig Jahren Berufstätigkeit bot sich den Kritikern sehr viel Munition – gerade auch beim emotionalsten Thema jeder Richterernennung: der Haltung zur Abtreibung. 1985 hatte Alito in einem Schriftsatz für das Justizministerium geschrieben, die Verfassung enthalte kein Recht auf Abtreibung. Einige Jahre zuvor hatte der Supreme Court das „right to privacy“, ein Grundrecht auf sexuelle Selbstbestimmung, aus der Verfassung abgeleitet und es seither mehrfach als Grundlage für eine der liberalsten Abtreibungsregelungen der Welt bestätigt.
Auf all diese Minenfelder war Alito bestens vorbereitet. Seit Wochen hatte ihn ein Team unter der Leitung des früheren US-Botschafters in Deutschland, Daniel Coats, in simulierten Anhörungen trainiert. Im öffentlichen Schlagabtausch mit den Senatoren gab sich Alito nachdenklich, lernfähig und humorvoll. Zur Abtreibung sagte er, er respektiere die bisherigen Grundsatzurteile. Zur Abhöraffäre, wichtigste Aufgabe eines Richters sei es, die Bürgerrechte zu schützen. Und zum Vorwurf, er sei gegen die Förderung von Frauen und Minderheiten: ganz im Gegenteil. Als Sohn italienischer Einwanderer gehört er selbst so einer Gruppe an.
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