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Politik: Revolution für den Frieden

Regierung und Rebellen in Kolumbien haben sich auf eine Landreform geeinigt.

Puebla - Nach sechs Monaten Verhandlungen ist den Konfliktparteien im kolumbianischen Bürgerkrieg ein Durchbruch gelungen. Man habe sich in der Landfrage geeinigt, erklärten die Regierung und die Guerilla der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) am Sonntag in Havanna. In dem Teilabkommen gehe es um Landrechte, Schutzgebiete, Entwicklungsprogramme für die Landbevölkerung, Infrastrukturprojekte und um soziale Aspekte wie Bildung, Gesundheit und Wohnraum für die Landbevölkerung, hieß es. Im Mittelpunkt stünde eine Förderung von Kleinbauern, allgemein werde ein gerechteres und demokratischeres Umfeld angestrebt. Daher ginge die Vereinbarung weit über eine klassische Agrarreform hinaus, sagte der Regierungsunterhändler, Humberto de la Calle. US-Vizepräsident Joe Biden, der am Wochenende in Kolumbien weilte, bezeichnete in einem Interview mit „El Tiempo“ die Friedengespräche als „seriös“ und versprach Unterstützung der USA für den Friedensprozess.

Die Landfrage ist der erste von sechs Punkten auf der Verhandlungsagenda, er galt jedoch als der schwierigste. Ein Friedensvertrag wird erst geschlossen, wenn alle Punkte geregelt sind.

Die Konfliktparteien feierten das Teilabkommen gleichwohl als Auftakt zu radikalen Veränderungen in der Landwirtschaft. An der Landfrage entzündete sich in den 60er Jahren der Bürgerkrieg. Die Guerilla forderte damals eine Agrarreform. Während all der Kriegsjahre hat sich der Konzentrationsprozess allerdings noch zugespitzt: Nicht einmal vier Prozent der Grundbesitzer verfügen über 41 Prozent des produktiven Landes. Gewaltsam Vertriebene haben bis dato die Rückgabe von rund 2,2 Millionen Hektar Land beantragt. Die Zeitschrift „Semana“ schätzt die Zahl des gewaltsam angeeigneten Landbesitzes auf insgesamt 6,6 Millionen Hektar. Ein Ziel des Abkommens ist, diese gewaltsame Umverteilung rückgängig zu machen sowie Landlosen zu Grund und Boden zu verhelfen. Dafür wird ein staatlicher Landfonds geschaffen, dem aber nur illegal angeeigneter Besitz zugeführt werden soll. Eigentümer, die ihren Besitz legal erworben hätten, blieben verschont, betonte de la Calle.

Unter Präsident Juan Manuel Santos hat ein Rückgabeprogramm bereits begonnen, doch in der Praxis gibt es viele Hindernisse. Eines der größten ist die anhaltende Schwäche des kolumbianischen Staates sowie der Widerstand der Großgrundbesitzer und der mit ihnen verbandelten paramilitärischen Gruppen. In einigen Regionen haben sich bereits neue paramilitärische Verbände gegründet, deren ausdrückliches Ziel es ist, die Rückgabe zu verhindern. Viele Aktivisten, die sich für die Rückkehr vertriebener Bauern eingesetzt haben, wurden in den vergangenen zwei Jahren ermordet.

Am 11. Juni werden die Friedensgespräche in Havanna fortgesetzt; dann geht es um die politische Beteiligung der Guerilla nach einem Friedensschluss. Sollte es zu einem Abkommen kommen, will die Regierung den Text der Bevölkerung zur Abstimmung vorlegen. In den vergangenen Monaten hat es zahlreiche Bürgerversammlungen gegeben, in denen Mitglieder der Zivilgesellschaft den Konfliktparteien ihre Vorschläge unterbreiten konnten. Selbst per Internet konnte sich die Bevölkerung äußern. Umfragen zufolge unterstützen zwei Drittel der Kolumbianer den Friedensprozess. Beobachtern zufolge stehen die Chancen so gut wie nie, den seit einem halben Jahrhundert andauernden Bürgerkrieg durch Verhandlungen zu beenden. Ein Hindernis ist allerdings der anstehende Wahlkampf, in dem es zu neuen Zuspitzungen kommen könnte. Es wird damit gerechnet, dass der amtierende Präsident Santos 2014 erneut kandidiert. Sandra Weiss

Sandra Weiss

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