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Kevin Kühnert auf dem Bundeskongress in Schwerin.
© Marius Becker/dpa

Juso-Bundeskongress: Revolution auf jungsozialistische Art

Ihren Vorsitzenden haben die Jusos mit einem starken Ergebnis wiedergewählt. Doch mit Olaf Scholz als Parteivorsitzenden könnte der erhoffte Wandel ausbleiben.

Als das Ergebnis bekannt wird, geht ein Raunen durch die Schweriner Kongresshalle. 88,6 Prozent! Ein Rekord, sagt man sich. Keiner der Anwesenden kann sich erinnern, dass ein Juso-Vorsitzender jemals ein besseres Ergebnis erzielt hat. Die Richtigstellung folgt schnell. Vor einem halben Jahrhundert bekam Karsten Voigt noch mehr Zuspruch. Die Linkswende 1969 – bis heute unter Jusos legendär. Kann sich, 50 Jahre später, Geschichte tatsächlich wiederholen?

Innerhalb von zwei Jahren hat Kevin Kühnert dem Verband ein neues Profil gegeben, gegen die Große Koalition opponiert und sich als Fürsprecher einer jüngeren Generation hervorgetan. „Die SPD ist zu einem Reparaturbetrieb geworden. Wir gehen aber nie an die Ursachen heran“, sagt er in seiner Bewerbungsrede und fordert einen Ausweg aus der „neoliberalen Pampa.“

Seine Redebeiträge sind ruhig, die offene Attacke ist nicht sein Stil. Kein einziges Mal erwähnt er den Namen des Mannes, der wie ein Damokles Schwert über dem gesamten Juso-Bundeskongress zu schweben scheint: Vizekanzler Olaf Scholz, der sich gemeinsam mit Klara Geywitz um das Amt des Parteivorsitzenden bewirbt.

Nahezu alle SPD-Promis haben sich in den vergangenen Wochen für den Hamburger stark gemacht, halten das Fortbestehen der Großen Koalition für wichtig. Kühnerts Jusos sprachen sich schon früh für das Duo Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken aus. Es geht um die Grundsatzfrage: soll die SPD weiterhin mit einer konservativen Partei regieren und Parteilinke und Jugend mit Häppchenweise sozialdemokratischer Politik zufriedenstellen? Einige Jusos sind müde von jahrelangen Kämpfen gegen die Politik der Bundesspitze.

Die Jusos sind innerhalb ihrer Partei in der Minderheit

Ob sie die Partei verlassen, sollte sich der Finanzminister tatsächlich durchsetzen? Wirklich zugeben möchte das keiner. Jusos halten zusammen, trotz allem Verdruss mit der großen Schwester SPD. Es ist zu spüren, dass der Ärger tief sitzt. Zu häufig hat die Parteispitze Reformen angekündigt, diese aber nur unzureichend oder gar nicht umgesetzt.

Also tönt man weiterhin von demokratischem Sozialismus, zerpflückt das von der Groko beschlossene „Klimapäckchen“ und fordert einen Einstiegspreis von 50 Euro pro Tonne CO2 – zehn Euro mehr als die Grünen aktuell.

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese Forderungen umsetzen lassen werden, sind gering. Unter Scholz wären sie vermutlich unmöglich. Denn trotz aller demonstrierten Stärke wissen die Jusos, dass sie innerhalb ihrer Partei in der Minderheit sind. Die über 60-jährigen Mitglieder bilden die Mehrheit von 55 Prozent. Auch wenn der Juso-Bundesverband in den letzten Jahren von 50.000 auf 80.000 gewachsen ist, steht ihre Altersgruppe mit 13 Prozent in der Minderheit.

Eine Attacke lässt sich Kühnert nicht nehmen. Er zitiert Klara Geywitz, die gesagt hatte, wenn Deutschland keine Waffen liefere, dann machen es eben andere. „Das ist eine legitime Meinung“, sagt er und lässt eine wohl gesetzte Kunstpause. „Das halte ich aber für Quatsch.“ Gelächter und Beifall im Saal. Revolution auf jungsozialistische Art.

Paul Gäbler

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