Vor EU-Sondergipfel zu Flüchtlingen: Regierung denkt über Marineeinsätze vor Libyen nach
Vor dem EU-Sondergipfel prüfen Bundesministerien, welche Unterstützung sie anbieten können. Unter anderem stehen Marineeinsätze vor Libyen und Geld für Rettungsprogramme zur Debatte.
- Hans Monath
- Antje Sirleschtov
- Ulrike Scheffer
Nach dem Treffen der EU-Außen- und Innenminister in Luxemburg bereitet die Bundesregierung das deutsche Angebot für den EU-Sondergipfel zur Flüchtlingspolitik vor, der am Donnerstag in Brüssel tagen soll. Die Außen- und Innenminister hatten einen Zehn-Punkte-Plan beschlossen, der unter anderem eine Ausweitung der Seenotrettung und die Zerstörung von Schlepperbooten vorsieht. Die Bundesministerien prüfen seitdem, welche Hilfestellung Deutschland in Brüssel anbieten könnte. Im Gespräch ist unter anderem, deutsche Beamte nach Italien oder Griechenland zu senden, um dort Hilfestellung bei den Visaverfahren zu geben.
Sicherheitslage in Libyen als Problem
Voraussetzung für ein effektives Vorgehen der EU gegen Schleuser in Libyen oder den Bau von Auffanglagern dort wäre allerdings, dass in dem nordafrikanischen Land überhaupt ein handlungsfähiger staatlicher Ansprechpartner existiert. Seit dem Militäreinsatz westlicher Staaten gegen das Regime von Staatschef Muammar al Gaddafi im Jahr 2011 aber hat sich die Sicherheitslage in Libyen dramatisch verschlechtert. Einen einheitlichen Staat gibt es nicht mehr, stattdessen kämpfen verschiedene Gruppen um die Macht. „Das, was wir jetzt erleben, ist die Folge eines Militäreinsatzes, der das Regime Gaddafi hinweggefegt hat, aber nichts an dessen Stelle gestellt hat“, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, zu Wochenanfang. Libyen stehe „an der Schwelle zu einem Staat, den man nur als gescheitert bezeichnen kann“.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und seine EU-Kollegen haben sich bereit erklärt, den Versöhnungsprozess in Libyen zu unterstützen. Dort bemüht sich der UN-Sondergesandte Bernardino Leon seit Wochen um eine Stabilisierung – bislang ohne Erfolg. In der Bundesregierung wird aber nicht mit schnellen Erfolgen gerechnet. Die EU will zudem mit den Ländern südlich von Libyen zusammenarbeiten und unter anderem in den Niger Verbindungsbeamte schicken, die Informationen über Migrationsrouten sammeln sollen. Diskutiert wird ein ziviler oder begrenzter militärischer Einsatz. Mögliche Einsatzgebiete sind die Überwachung einer vereinbarten Waffenruhe, eine Marinemission vor der Küste oder Hilfe bei der Grenzkontrolle.
Wiederaufnahme "Mare Nostrum"
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) bot an, Geld für die Wiederaufnahme des Rettungsprogramms „Mare Nostrum“ aus seinem eigenen Etat vorzustrecken. „Das darf nicht an sechs Millionen Euro scheitern“, sagte er dem „Münchner Merkur“. Für das Transitland Libyen schlug Müller einen EU-Sondergesandten vor, „der vor Ort die UN-Mission im Lande diplomatisch unterstützt und zur Genzsicherung und Bekämpfung der Schleuserkriminalität beiträgt“.
Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD) hält einen Militäreinsatz mit dem Ziel, die Infrastruktur von Schlepperbanden an der libyschen Küste zu zerstören, für unrealistisch. Es gehe jetzt vordringlich darum, den Flüchtlingen zu helfen. „Wenn es um eine Beteiligung der Bundeswehr geht, dann sollte sie sich auf diesen Bereich konzentrieren“, sagte Bartels dem Tagesspiegel. „Die Fähigkeiten für einen solchen Einsatz hat die deutsche Marine.“
Ab Mitte Mai wird sich ein Ausbildungsverband der Marine mit zwei Fregatten und einem Lazarettschiff vier Wochen lang im Mittelmeer aufhalten. „Die könnten gute Dienste bei der Flüchtlingsrettung leisten“, so Bartels. Auch ein Minenabwehrverband der Nato mit deutscher Beteiligung sei derzeit im Mittelmeer und könne helfen. Italien hatte im Herbst 2013 bereits einen eigenen Marineeinsatz im Mittelmeer initiiert und so 140 000 Flüchtlinge gerettet. Im Herbst 2014 wurde die Rettungsmission mit dem Namen „Mare Nostrum“ jedoch aus Kostengründen eingestellt. Seither wirbt Italien für einen neuen europäischen Marineeinsatz zur Flüchtlingsrettung.
Umstritten ist nach wie vor der Plan, Flüchtlinge nach Quoten in Europa zu verteilen. Ein EU-weites, freiwilliges Pilotprojekt soll dies nun erstmals ermöglichen. Tatsächlich halten sich Länder wie die Baltischen Staaten, Tschechien oder Großbritannien, die bisher nur relativ wenige oder keine Flüchtlinge aufnehmen, aber bisher bedeckt.