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Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bremens Bürgermeister Carsten Sieling, die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer.
© Bernd von Jutrczenka/dpa

Bund und Länder: Regieren mit den Zaunkönigen

Flüchtlinge, Finanzausgleich, EEG: Ein Bund-Länder-Spitzentreffen folgt dem anderen. In Angela Merkels Amtszeit ist das Gipfeln mit den Ministerpräsidenten zum dauerhaften Regierungsinstrument geworden.

Es war einmal eine Zeit, da gab es zwar Ministerpräsidenten, aber keinen Kanzler, schon gar keine Kanzlerin und auch keinen Bundesminister der Finanzen. Das war in den Jahren zwischen Kriegsende und der Gründung der Bundesrepublik. Das wichtigste politische Gremium war die Ministerpräsidentenkonferenz, damals wie heute MPK abgekürzt. Führenden Kräften in den Parteien, die dann kurz darauf das gesamtstaatliche Zepter schwangen, waren die Länderchefs freilich ein Gräuel. Ob denn die Zaunkönige noch nicht fertig seien, fragte Konrad Adenauer einmal ungeduldig, als ihm eine MPK zu lange dauerte. Wie der „Gemeindetag von Posemuckel“ sei die Ministerpräsidentenkonferenz, sagte der SPD-Vize Erich Ollenhauer anlässlich einer Zusammenkunft der Länderchefs, bei der er vor der Tür warten musste.

Die Zaunkönige von Posemuckel sind immer noch eine Macht in der Republik. Man merkt das immer dann, wenn die Führungsfachkräfte im Bund grantige Kommentare ausstoßen. Wie zuletzt Wolfgang Schäuble mit seinem Erfahrungsdestillat, die Länder einigten sich immer 16 zu null zulasten des Bundes. Allerdings gibt es im Bundesfinanzministerium eine zweite Standardfloskel, die da lautet, die Länder würden sich ja nie einig. Aber wenn sie es gelegentlich tun, dann ist das halt schmerzhaft. Schäuble hatte wohl lange geglaubt, dass die MPK sich beim Finanzausgleich nie auf eine gemeinsame Linie verständigen würde. Aber als sie es im Dezember dann doch überraschend schaffte, wusste er, dass es teuer für ihn werden könnte. Seither leistet er hinhaltenden Widerstand. Es gibt Leute in Berlin, die nicht völlig ausschließen, dass Horst Seehofer den Länderkompromiss, der keineswegs der bayerischen Idealvorstellung entspricht, nur deshalb mitträgt, damit Schäuble sich ärgert.

Am großen Tisch im Kanzleramt

Angela Merkel hat offenbar mehr Sympathie für die Zaunkönige. Oder einfach eingesehen, dass man sich die Sache leichter macht, wenn man sie immer wieder um den großen Tisch im Kanzleramt versammelt. Man sitze da wie eine Schulklasse, hat einer der 16 mal angemerkt, und das bringt die Regierungstechnik von Merkel ganz gut auf den Punkt. Seit sie regiert, sind die Bund-Länder-Gipfeltreffen zu einem permanenten Faktor der deutschen Politik geworden. In den Pressekonferenzen hernach sitzt die Kanzlerin dann stets eingerahmt von zwei Ministerpräsidenten, einer Union, einer SPD, am vorigen Freitag waren es der Bremer Bürgermeister und die Frau aus dem Saarland, die Ärmsten der Armen sozusagen – kann man da hartherzig sein? Merkel, das muss man wissen, hält den Bundeshaushalt zwar nicht für unerschöpflich, aber doch für so voll Geld, dass man nicht kleinlich auf die Milliarde schauen muss. Schäuble sieht das etwas anders.

Auch in den kommenden Wochen wird mächtig gegipfelt. Die Zaunkönige sind mittlerweile so oft in Berlin, dass man die Zentralisierungstendenz im Bundesstaat an der steigenden Zahl der Einflüge aus den Landeshauptstädten messen kann. Da am Donnerstag und Freitag voriger Woche der Stoff in den Fächern Flüchtlingskosten und Finanzausgleich nicht in der von der Chefin erwarteten Form durchgearbeitet worden war, ist jetzt kollektives Nachsitzen angesagt. Zunächst bei den Flüchtlingskosten. Dazu werden sich die Ministerpräsidenten und zweifellos auch der Bundesfinanzminister am 31. Mai im Kanzleramt versammeln. Merkel hat die Nennung des Termins mit der Erwartung einer „Beschlussfassung“ verbunden, was man als indirekte Anwendung der Richtlinienkompetenz Richtung Schäuble verstehen kann. Der hatte eigentlich vor, erst im September zu konkreteren Vereinbarungen zu kommen. Davor ist am 12. Mai eine Sonder-MPK mit der Kanzlerin zum Erneuerbare-Energien-Gesetz im Terminplan. Auch eine Chef-Baustelle. Und am 16. Juni ist die reguläre halbjährliche MPK mit der Kanzlerin. Ob dann auch Beschlussfassung auf der Tagesordnung steht, ist noch nicht absehbar. Aber wenn Seehofer Schäuble noch mehr ärgern will, dann bringt er Merkel dazu, den Finanzausgleich auf die Tagesordnung zu setzen.

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