Fremdenfeindlichkeit in Sachsen: Rechtsterrorismus-Anklage gegen "Gruppe Freital" erhoben
Dass keiner ums Leben kam, ist nach Angaben der Ermittler nur Zufall. Sieben Männer und eine Frau aus Freital sollen unter anderem Anschläge auf Flüchtlingsheime verübt haben.
Der Generalbundesanwalt erhebt gegen acht Mitglieder der rechtsextremen Gruppe Freital aus Sachsen Anklage wegen Gründung einer rechtsterroristischen Vereinigung. Das verlautete am Dienstag aus Sicherheitskreisen. Zunächst hatte darüber der Rechercheverbund von "Süddeutscher Zeitung", NDR und MDR unter Berufung auf die Anklageschrift berichtet, die den Anwälten der Beschuldigten zugestellt worden sei.
Demnach hätten die Mitglieder der Gruppe - sieben Männer und Frau im Alter zwischen 19 und 37 Jahren - von Juli 2015 an versucht, ihre rechtsextreme Gesinnung durchzusetzen, indem sie Anschläge begingen. Unter anderem hätten sie Asylbewerberheime sowie das Auto eines Stadtrats der Linkspartei angegriffen.
Zumindest teilweise hatten sich die Angeklagten aus der Bürgerwehr FTL/360 heraus radikalisiert.
Der Vorwurf lautet in der Anklageschrift auch auf versuchten Mord. Zwar sei niemand ums Leben gekommen, doch hätten die Täter den Tod ihrer Opfer billigend in Kauf genommen. Als Rädelsführer sieht die Bundesanwaltschaft den Angaben zufolge die Beschuldigten Timo S. - er war Busfahrer beim Regionalverkehr Dresden, zu dem auch die Linie 360 gehört, nach der die Bürgerwehr benannt wurde - und Patrick F. Sie hatten die Bürgerwehr Anfang 2015 gegründet.
Im vergangenen Jahr kam es innerhalb von wenigen Monaten in Freital und Dresden zu mehreren Sprengstoffanschlägen und Brandstiftungen. Unter anderem wurde Ende September 2015 ein Feuerwerkskörper an Fensterscheiben einer Flüchtlingsunterkunft in der Freitaler Bahnhofsstraße zur Explosion gebracht. Wenige Wochen später explodierten drei Sprengsätze gleichzeitig an den Fenstern der Asylbewerberunterkunft in der Wilsdruffer Straße in Freital. Ein Syrer wurde dabei im Gesicht verletzt. Gegenstand der Anklage ist zudem der Anschlag gegen ein linkes Dresdner Wohnprojekt. Tatmittel waren offenbar meist sogenannte "Tschechen-Böller", in Deutschland verbotene Sprengkörper.
Organisiert habe sich die Gruppe über den Chat-Dienst "Kakao-Talk", heißt es auf tagesschau.de. In dieser App für Smartphones hätten Mitglieder der Gruppe unter Pseudonymen wie "KegelKarl", "Zigeunerphili" oder "cukcuk" unter anderem ihre Aktionen vorbereitet. In diesen Chat-Gruppen soll nach Erkenntnissen der Ermittler auch der Freitaler NPD-Stadtrat Dirk A. Mitglied gewesen sein.
"Vernetzungen zu organisierten Nazi-Strukturen"
Die Nebenklageanwältin Kristin Pietrzyk, den den bei dem Anschlag in der Wilsdruffer Straße verletzten Syrer vertritt, sagte dem Tagesspiegel, die Anklageschrift sei "stringent" - sowohl weil versuchter Mord angeklagt werde als auch wegen des Vorwurfs des Rechtsterrorismus. Im Verlauf des Prozesses werde man sich die Verbindungen zwischen der rechtsterroristischen "Gruppe Freital" und der Bürgerwehr FTL/360 "ganz genau ansehen müssen". Die Rechtsanwältin aus Jena sprach von einem "Konglomerat, das sich gegenseitig befeuert" habe. Im Prozess werde es auch darum gehen aufzuzeigen, welche Vernetzungen es zu organisierten Nazi-Strukturen gab".
Der NDR zitierte Endrik Wilhelm, den Anwalt der angeklagten Frau, mit den Worten: "Ob es sich hier um eine terroristische Vereinigung handelt, halte ich doch für sehr zweifelhaft. Ich sehe die Grenzen zum politischen Verfahren überschritten."
Die Ermittlungen gegen die Gruppe Freital waren zunächst von der Generalstaatsanwaltschaft in Dresden geführt worden. Dabei gab es Vorwürfe von Kritikern, der Fall werde nicht ernst genug genommen. Im April 2016 hatte die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe die Ermittlungen an sich gezogen.
Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) sagte, es müsse nach der Anklageerhebung weiter geprüft werden, ob es auch überregionale Vernetzungen gibt. Das Sonderdezernat für politisch motivierte Kriminalität sei "eigens dafür gegründet worden, extremistische Strukturen aufzudecken", sagte Gemkow dem Sender MDR aktuell. Er nannte es ein "wichtiges Signal, dass gerade die sächsische Justiz die Vorgänge aufarbeitet".
Für den Prozess wird das Oberlandesgericht (OLG) Dresden zuständig sein. Für das Verfahren wird derzeit auf dem Gelände einer ehemaligen Kaserne in Dresden ein neues Gerichtsgebäude unter anderem mit einem eigenen Zellentrakt ausgebaut. Die Kosten belaufen sich nach Angaben des Finanzministeriums auf rund 4,8 Millionen Euro. Prozessbeginn dürfte dem OLG zufolge frühestens Anfang kommenden Jahres sein. (mit AFP/dpa)