100 Jahre Russische Revolution: Rechtspopulisten lernen von den Kommunisten
Die Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur schlägt Alarm: Die Geschichte des Kommunismus kommt in der Erinnerungskultur zu kurz. Das habe Folgen.
Die mangelnde Auseinandersetzung mit der Geschichte des Kommunismus erleichtert Populisten nach Einschätzung der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur die Verächtlichmachung von Marktwirtschaft und Demokratie. Es gebe in der deutschen Erinnerungskultur in Bezug auf den Kommunismus eine "erhebliche Leerstelle" sagte die Geschäftsführerin der Stiftung, Anna Kaminsky, am Mittwoch bei der Vorstellung wichtiger Projekte ihrer Institution zum 100. Jahrestag der Revolution in Russland. Am 23. Februar 1917 begann in Petrograd die so genannte Februarrevolution, welche die Zarenherrschaft beendete. Rund ein halbes Jahr später eroberten die kommunistischen Bolschewiki die Macht ("Oktoberrevolution").
Im Namen des Kommunismus begangene Verbrechen würden in Schule und Forschung "kaum thematisiert", sagte Kaminsky. Teilweise werde bis heute an der Idee festgehalten, dass der Kommunismus "eine Alternative zu Kapitalismus und Demokratie" sein könne. Auch Rechtspopulisten profitierten davon, dass der Kommunismus in der deutschen Erinnerungskultur nur ein Stiefkind sei. Immer häufiger bedienten sich Rechtspopulisten in ihrer Rhetorik revolutionärer "Versatzstücke", erklärte die Stiftungs-Chefin.
Als Beispiel nannte Kaminsky Slogans von AfD und Pegida wie "Wir sind das Volk" oder das Versprechen, die Verhältnisse "vom Kopf auf die Füße" zu stellen. "Es wird immer wieder eine Art revolutionärer Situation heraufbeschworen, als stünde unsere Gesellschaft kurz vor dem Abgrund", sagte sie. In diesem Zusammenhang erinnerte die Historikerin auch daran, dass Stephen Bannon, der rechtspopulistische Berater von US-Präsident Donald Trump, sich auf den russischen Revolutionär Lenin bezogen und angekündigt hatte, nach dessen Vorbild das System zu zerstören.
Im Jubiläumsjahr der russischen Revolution will die Stiftung nun dazu beitragen, die Geschichte des Kommunismus stärker im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. Auch bei der Erinnerung an die DDR stehe in Deutschland nämlich nicht die kommunistische Ideologie und Praxis, sondern die Auseinandersetzung mit der Staatssicherheit im Zentrum. Es sei notwendig, die Ursachen der großen Anziehungskraft dieser Ideologie und ihre diktatorische Herrschaftspraxis zu beleuchten.
Zu den Stiftungsprojekten gehört die gemeinsam mit dem Deutschen Historischen Museum (DHM) erarbeitete Plakatausstellung "Der Kommunismus in seinem Zeitalter", die am Donnerstag im DHM eröffnet wird. Die Plakate werden als Set in einer Auflage von 2000 Stück auch Schulen und anderen Bildungseinrichtungen zur Verfügung gestellt.
Informationen über Oppositionelle in früheren kommunistischen Ländern können in dem Online-Lexikon "dissidenten.eu" abgerufen werden. Ende März soll eine weitere Website mit dem Titel "kommunismusgeschichte.de" freigeschaltet werden, die umfassende Informationen, die Jahrbücher für historische Kommunismusforschung sowie Ton-, Bild- und Filmmaterial zugänglich macht.
Der Historiker und Kommunismusforscher Gerd Koenen, der die Plakatausstellung mitentwickelte, nannte die weltweite Ausdehnung und den Zerfall des Kommunismus im vergangenen Jahrhundert ein "geschichtliches Rätsel ersten Ranges". Zugleich erinnerte Koenen daran, dass in der Folge der russischen Revolution heute noch in China und Nordkorea Regime herrschten, die sich auf den Kommunismus berufen.