Unterzeichnung im Dezember: Rechte Allianz macht mobil gegen UN-Migrationspakt
Die internationale Gemeinschaft bereitet einen Migrationspakt vor. Er gilt als „großer Wurf“. Doch von rechts formiert sich eine Allianz gegen das Vorhaben.
Es ist ein lauer Sommerabend in Bayern, in einem Wirtshaus nahe Deggendorf hält die örtliche AfD ihren Stammtisch ab. Nach einer düsteren Diskussion über Muslime sitzen die Mitglieder noch etwas im holzgetäfelten Schankraum zusammen. Eine ältere Frau redet eindringlich auf einen jüngeren Mann ein: „Wenn der Pakt kommt, heißt das, dass jeder auf der Welt hinziehen kann, wohin er will! Dann ist hier alles vorbei.“
Schon länger arbeitet die AfD daran, gegen ein UN-Migrationsabkommen, das im Dezember von fast allen Staaten der Welt unterzeichnet werden soll, mobil zu machen. Der Pakt namens „Global Compact for Migration“ ist eigentlich dazu gedacht, Migrationsströme in geregelte Bahnen zu lenken. Er soll Migranten besseren Schutz vor Ausbeutung, Diskriminierung und Gewalt bieten. Wissenschaftler vergleichen den Vertrag in seiner Bedeutung sogar mit dem Pariser Klimaabkommen, von einem „großen Wurf“ ist die Rede. Doch von rechts formiert sich eine Allianz dagegen.
Halbwahrheiten und Fehlinformationen im Umlauf
Die AfD hat eigens eine Webseite zum Migrationspakt eingerichtet, auf der es einen Countdown bis zur geplanten Unterzeichnung gibt. Im Bundestag reichte sie eine kleine Anfrage ein, beantragte eine aktuelle Stunde. Maßgeblich vorangetrieben wird das Thema innerhalb der AfD-Bundestagsfraktion von den Abgeordneten Martin Hebner und Markus Frohnmaier, dem Ex-Chef der AfD-Jugend „Junge Alternative“. Auf einer Kampagnenplattform, in deren Impressum der Mann der AfD-Politikern Beatrix von Storch steht, wurden mehr als 400.000 Stimmen gegen das Abkommen gesammelt. Auch die vom Verfassungsschutz beobachtete „Identitäre Bewegung“ und das neurechte Portal „Epochtimes“ machen Stimmung. Eine Vielzahl an Halbwahrheiten und Fehlinformationen ist über den Pakt bereits im Umlauf. Verfangen können diese, weil bislang in Medien und Politik wenig über den Pakt gesprochen wird.
Der Vertrag ist rechtlich nicht bindend
Also worum geht es? Am 10. und 11. Dezember soll in Marokko der Migrationspakt unterzeichnet werden, der 23 Ziele enthält. So wollen die Staaten legale Zuwanderungsrouten schaffen, um Menschenhandel und das Schlepperwesen zu unterbinden. Sie verpflichten sich, Migranten vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen, sie zügig in den Arbeitsmarkt und das Sozialsystem zu integrieren. Zugleich sollen Staatsgrenzen besser gesichert und die persönlichen Daten von Migranten effektiver registriert werden. Auch die Herkunftsländer der Migranten sollen unterstützt werden, indem Geldüberweisungen erleichtert werden und es mehr internationale Hilfe für die Bekämpfung der Armut dort gibt.
Es ist ein ambitioniertes Vorhaben, zumal der Pakt rechtlich nicht bindend ist. Daneben ist gleichzeitig ein eigenständiger Flüchtlingspakt namens „Global Compact on Refugees“ auf dem Weg, der aber weniger heiß diskutiert wird. Hinter den UN-Verträgen stehe die Überzeugung der Mitgliedstaaten, „dass man die Migration nicht alleine bewältigen kann“, sagt Steffen Angenendt, Migrationsforscher bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. Die Einsicht kam der Staatengemeinschaft mit den hohen Flüchtlingszahlen im Jahr 2015. Als hunderttausende Syrer vor dem Bürgerkrieg flohen, wachte die Welt auf. In einer im September 2016 verabschiedeten Resolution bezog die UN-Vollversammlung Stellung. Die Mobilität der Menschen sei grundsätzlich zu begrüßen, sie „verändert die Welt zum Besseren“, hieß es.
Ungarn und die USA sind bereits ausgestiegen
Aufnahmestaaten wie Deutschland „sind die treibende Kraft dahinter“, sagt Angenendt. „Diese Länder haben verstanden, dass sie von geregelter Migration profitieren.“ Die ganze Welt erwarte von der Bundesregierung, dass sie in der Migrationsfrage mit gutem Beispiel vorangehe. Im Inland könnte das bald passieren: Legale Zuwanderungsmöglichkeiten sowie die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse sind Teil des von der großen Koalition geplanten Einwanderungsgesetzes. Der Entwurf soll noch in diesem Jahr durchs Kabinett gehen, 2019 wird sich der Bundestag damit befassen.
Gegen den globalen Migrationspakt gibt es aber auch auf internationaler Ebene Widerstand. Ursprünglich sollten ihn alle 193 Staaten der UN unterzeichnen. Doch die USA und Ungarn sind schon seit längerem ausgestiegen. Australien hat sich von dem Vorhaben distanziert. Österreich kündigte am Mittwochmorgen an, sich aus dem Abkommen zurückzuziehen. Man befürchte den Verlust österreichischer Souveränität in der Migrationspolitik und ein Verwischen der Unterschiede zwischen legaler und illegaler Migration, hieß es. Auch der polnische Innenminister sieht den Pakt kritisch. Migrationsexperte Angenendt hält die Bedenken allerdings für unberechtigt. „Der Vertrag schränkt staatliche Souveränität nicht ein“, sagt er.
Andere Parteien halten AfD-Kritik für substanzlos
Woran sich viele Gegner des Pakts außerdem stören, ist, dass er Migration als etwas Positives begreift. „Mit dem Migrationspakt soll das Chaos nicht beseitigt, sondern nur durch ein rechtliches Korsett legitimiert werden. Das ist ein wahnsinniges Projekt“, sagt der AfD-Abgeordnete Frohnmaier.
Radikale Rechte in Deutschland bauen den Pakt in ihre Verschwörungstheorie vom „Bevölkerungsaustausch“ ein, die besagt, dass eine Elite Migranten ansiedele, mit dem Ziel, das deutsche Volk auszulöschen. Dabei ist es eines der erklärten Ziele des Paktes, Fluchtursachen zu bekämpfen, um „irreguläre Migration“ zu verhindern.
In den anderen Parteien hält man die Kritik der AfD an dem Pakt für substanzlos. „Wer die Mitarbeit an globalen Lösungsansätzen verweigert und den Menschen stattdessen einreden will, man müsse sich nur hinter Mauer und Stacheldraht verschanzen, der ist schlichtweg verantwortungslos“, sagt der CDU-Abgeordnete Andreas Nick. Die Grünen-Abgeordnete Filiz Polat findet, die anstehende Unterzeichnung des Migrationspaktes sei „ein Erfolg des Multilateralismus – und damit ein klares Signal gegen den grassierenden Nationalismus eines Donald Trumps oder Viktor Orbáns.“ Die AfD fahre in ihrem Kampf gegen das Abkommen eine der populärsten Verschwörungstheorien auf. Diese sei „beschämend und zutiefst antisemitisch und rassistisch, schlicht menschenfeindlich.“
Ärger im Petitionsausschuss
Demnächst wird der Migrationspakt wieder im Bundestag Thema sein. Frohnmaier und seine Fraktionskollegen bereiten einen Antrag vor, in dem sie die Nicht-Unterzeichnung des Paktes fordern. Die Grünen wiederum planen einen Antrag für die zügige Umsetzung des Paktes. Und auch im sonst wenig beachteten Petitionsausschuss könnte es hoch hergehen. Die Abgeordneten müssen entscheiden, ob eine Petition gegen den Pakt auf der Seite des Bundestages veröffentlicht wird. Wenn dort innerhalb von vier Wochen mehr als 50 000 Unterstützer zusammenkommen, wird sie vom Ausschuss in öffentlicher Sitzung behandelt.
Lesen Sie hier ein Interview zum Migrationspakt mit der UN-Sonderbeauftragten Louise Arbour.
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