Rüstungspolitik: Raketenabwehrsystem Meads wird vorzeitig gestoppt
US-Abgeordnete wollen kein Geld mehr freigeben für das Raketenabwehrsystem Meads. Präsident Barack Obama und auch Deutschland hätten die Entwicklung lieber abgeschlossen.
Washington - Der US-Kongress möchte für die letzte Entwicklungsphase des Raketenabwehrsystems Meads, ein Gemeinschaftsprojekt mit Deutschland und Italien, kein Geld mehr zur Verfügung stellen. Bei den Verhandlungen über das Verteidigungsbudget strichen die Unterhändler des Abgeordnetenhauses und des Senats die letzte Rate in Höhe von 400 Millionen Dollar aus ihrem gemeinsamen Gesetzentwurf für den Haushalt. Die Parlamentarier sagten zur Begründung, das System solle ohnehin nicht gebaut werden und sie wollten kein Geld in eine Entwicklung stecken, die nicht zur Anwendung komme. Diese Entscheidung sei im Übrigen nicht neu, sondern schon 2011 vor Auszahlung der Jahresrate 2012 angekündigt worden.
Der Kongress stellt sich damit gegen die Empfehlung des Präsidenten Barack Obama. Das Weiße Haus hätte es vorgezogen, die Entwicklung abzuschließen – nicht aus militärischen Erwägungen, sondern aus Rücksicht auf die Verbündeten. Meads ist das einzige transatlantische Rüstungsprojekt, an dem Deutschland beteiligt ist. Auch die Bundesregierung hat freilich längst beschlossen, dass sie das System nicht anschaffen möchte. Sie hätte es jedoch vorgezogen, die gemeinsame Entwicklung abzuschließen, um die Ergebnisse unter Umständen in Folgeprojekten weiter nutzen zu können. „Das steht jetzt in Frage. Und es muss geprüft werden, ob das noch möglich sein wird oder nicht“, sagte der Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums, Christian Dienst, der Nachrichtenagentur Reuters.
Der vorzeitige Ausstieg aus dem Projekt dürfte für die USA nach Angaben aus Industriekreisen wegen Strafzahlungen fast so teuer werden wie die Weiterentwicklung. Der republikanische Senator John McCain hatte dennoch den Ausstieg gefordert. Angesichts der angespannten Haushaltslage sei es ein falsches Signal, Geld für Projekte zu bewilligen, die nicht gebaut werden.
Verteidigungsminister Leon Panetta und das Weiße Haus argumentieren umgekehrt. Gerade wegen der knappen Kassen seien internationale Rüstungsprojekte mit Kostenteilung wünschenswert. Der einseitige Ausstieg könne die Beziehungen der USA zu ihren Verbündeten belasten.
Laut „Chicago Tribune“ hatte Italiens Verteidigungsminister Giampaolo di Paola Anfang Dezember in einem Brief an McCain geschrieben, falls die USA ihre Rate für das letzte Projektjahr 2013 nicht zahlen, sei das „ein einseitiger Ausstieg aus unserem transatlantischen Abkommen, und die USA werden dafür finanziell zur Verantwortung gezogen“.
Präsident Obama kann sein Veto gegen das vom Kongress vorgelegte Verteidigungsbudget einlegen. Das gilt derzeit aber nicht als wahrscheinlich. Michael Amato, Wortführer der Demokraten im Verteidigungsausschuss des Abgeordnetenhauses, sagte, die US-Beteiligung an Meads habe immer unter dem Vorbehalt gestanden, dass die Finanzierung zur Verfügung stehe. Der Kongress habe die Zahlung der Rate 2012 unter die Bedingung gestellt, dass dies die letzte sei.
Meads steht für „Medium Extended Air Defense System“. Ursprünglich sollte das System von 2014 an die Flugabwehr der Typen „Roland“, „Hawk“ und „Patriot“ ablösen. „Roland“ und „Hawk“ sind bereits außer Dienst gestellt. Anfangs war auch Frankreich an „Meads“ beteiligt, stieg aber aus, um ein eigenes System zu entwickeln. Das trug zu den vielfältigen Verzögerungen bei. Zuletzt war von einer möglichen Einführung 2018 die Rede. Die Entwicklung hat mehr als vier Milliarden Dollar gekostet. Die USA haben davon 55 Prozent, Deutschland 28 Prozent und Italien 17 Prozent bezahlt.
Im Meads-Konsortium arbeiten der US-Konzern Lockheed Martin und das europäische Rüstungsunternehmen MBDA zusammen, an dem EADS , BAE Systems und Finmeccanica beteiligt sind. Lockheed Martin zeigte sich enttäuscht über die Entscheidung des Kongresses. Ein Test habe belegt, dass Meads mit seinem neuen Rundum-Radar „luftatmende“ Ziele entdecken, verfolgen und abschießen könne. Damit sind Flugzeuge und Marschflugkörper im Gegensatz zu Raketen gemeint. Ende November fing eine Meads-Rakete beim ersten Praxistest eine Drohne mit nahezu 1000 Stundenkilometer Anfluggeschwindigkeit ab.Christoph von Marschall (mit rtr)