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Geballter Zorn. In Teheran haben Demonstranten vor der saudischen Botschaft gegen die Hinrichtung eines schiitischen Geistlichen protestiert.
© Atta Kenare/AFP

Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Iran: Radikale Rivalen

Der Streit zwischen den muslimischen Kontrahenten eskaliert. Und die Welt ist alarmiert. Wie gefährlich ist die Situation?

Die Spannungen zwischen den beiden muslimischen Erzrivalen Saudi-Arabien und Iran haben sich am Wochenende dramatisch verschärft. Auslöser ist die von den saudischen Herrschern verfügte Hinrichtung eines schiitischen Oppositionsführers. Nach scharfen Protesten Teherans gegen die Exekution hat Riad die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zum Nachbarland abgebrochen. Der Streit zwischen der schiitischen Regionalmacht Iran und der selbst erklärten sunnitischen Schutzmacht Saudi-Arabien könnte erhebliche internationale Folgen haben.

Was ist der Auslöser

für die jüngste Eskalation?

Anlass für den aktuellen Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Iran ist die Hinrichtung von Nimr Baker al Nimr. Der schiitische Oppositionelle wurde zusammen mit 46 weiteren Oppositionellen und mutmaßlichen Terroristen exekutiert. Der 56-Jährige galt als entschiedener Kritiker des Königshauses in Riad und als einer wichtigsten Vertreter der Schiiten in Saudi-Arabien. Die religiöse Minderheit, die größtenteils im ölreichen Osten des Landes lebt, wird von der sunnitischen Führung seit Jahren unterdrückt. Immer wieder kommt es zu Aufständen. Auch Nimr wurde wegen Anstiftung zum Aufruhr verurteilt. Der schiitische Kleriker war bereits während des Arabischen Frühlings aufgefallen und der sunnitischen Regierung seit Langem ein Dorn im Auge.

Worauf gründet der Konflikt

zwischen Sunniten und Schiiten?

Der blutige Streit zwischen Sunniten und Schiiten reicht bis ins siebte Jahrhundert zurück. Ursache ist die Uneinigkeit über die Nachfolge des Propheten Mohammed. Die Mehrheit der Muslime, die heute als Sunniten bezeichnet werden und knapp 80 bis 90 Prozent der muslimischen Bevölkerung stellen, wollten den Kandidaten frei bestimmten. Eine Minderheit, die heutigen Schiiten, bestand hingegen auf einem Nachfolger aus der Familie des Propheten. In einem blutigen Bürgerkrieg, bei dem Housain, ein Enkel Mohammeds starb, unterlagen die Schiiten schließlich. Seitdem bekämpfen sich die beiden religiösen Strömungen. Als einer der Höhepunkte des Konflikts gilt die Ausrufung der Islamischen Republik im Iran 1979 durch Ajatollah Chomeini. Durch seine Politisierung des Streits verschärfte dieser sich zusätzlich. In vielen sunnitischen Ländern werden Schiiten unterdrückt. Nur einige wenige Staaten werden heute von Schiiten dominiert, darunter der Irak, Bahrain und der Iran.

Warum setzt das saudische Königshaus

im Verhältnis zum Iran auf Konfrontation?

Die Golfmonarchie steht unter erheblichem Druck, innen- wie außenpolitisch und wirtschaftlich. Und die Hinrichtungen sind womöglich ein Zeichen der großen Nervosität. Denn das Herrscherhaus ist längst nicht so gefestigt, wie es glauben machen will. König Salman, der immer seniler wirkt, hat den Hof zugunsten seiner Familie umgestaltet und seine beiden Söhne als Minister installiert. Doch die fallen vor allem durch hitziges Gemüt und rigide Unterdrückung auf. Auch die Exekutionen möchten die Machthaber offenbar als Botschaft verstanden wissen: Wir dulden keinen Terror – egal, von welcher Religionsgruppe er ausgeübt wird. Dabei macht Saudi-Arabien gerade der militant-sunnitische Extremismus zu schaffen. So ist der „Islamische Staat“ (neben Al Qaida) zu einer echten Bedrohung herangewachsen. Auch, weil die Ideologie der Dschihadisten-Miliz dem fundamentalistischen Wahabismus des Königreichs in vielerlei Hinsicht frappierend ähnelt. Dennoch setzt Riad alles daran, diese intolerante Auslegung des Islam in die ganze Welt zu exportieren.

Die Hinrichtungen haben aber noch einen anderen Adressaten: die Mullahs im Iran. Ihnen soll unmissverständlich klargemacht werden, dass die Saudis nicht gewillt sind, Teherans Expansionswillen tatenlos hinzunehmen. Aus Sicht der Monarchie kann es nur eine Vormacht in der Region geben: Saudi-Arabien. Für den Iran ist das nichts anderes als ein Affront.

Wie einflussreich ist der Iran?

Nach dem Atom-Deal und dem damit einhergehenden baldigen Ende der Sanktionen fühlt sich Teheran so stark wie schon lange nicht mehr. In der Staatengemeinschaft gilt der Iran wieder als Partner. Und wirtschaftlich wird das Land bald alte Stärke zurückerlangen. Vor allem der Verkauf von Öl könnte Milliarden in die Haushaltskasse spülen – was auch einen größeren politischen und militärischen Handlungsspielraum ermöglicht.

Welche Auswirkungen könnte der Streit haben?

Der Nahe Osten gehört weltweit zu den anfälligsten, weil ohnehin instabilsten Regionen. Und der Antagonismus der Erzrivalen spielt dabei eine zentrale Rolle. Syrien, Jemen, Irak, Libanon – es gibt kaum einen Konflikt, an dem der Iran und Saudi-Arabien nicht beteiligt sind. Immer geht es darum, den eigenen Einfluss zulasten des Gegners auszubauen und sich als Schutzmacht der Schiiten beziehungsweise Sunniten zu profilieren. Dementsprechend wichtig sind beide Staaten, wenn es um eine Lösung der Konflikte geht. Das gilt vor allem für die Kriege in Syrien und im Jemen. Der jetzige Tiefpunkt in den Beziehungen zwischen Teheran und Riad erschwert nach Ansicht von Beobachtern die Friedensgespräche erheblich. Denn die Kompromissbereitschaft des Königshauses und der Mullahs ist kaum der Rede wert.

So soll Mitte Januar ein neuer Anlauf genommen werden, um zumindest eine Waffenruhe für den Jemen zu vereinbaren. In dem bitterarmen arabischen Staat tobt seit Monaten ein Bürgerkrieg zwischen den schiitischen Huthi-Rebellen und Anhängern von Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi. Eine von Saudi-Arabien geführte Koalition bombardiert seit März Stellungen der Aufständischen. Die wiederum sollen dem Vernehmen nach umfassende Unterstützung durch den Iran erhalten. Und solange die jeweiligen „Schutzpatrone“ der Konfliktparteien über Kreuz liegen, werden die Verhandlungen wohl ohne Ergebnis bleiben. Vor allem Terrorgruppen wie Al Qaida und der „Islamische Staat“ profitieren von den chaotischen Zuständen.

Gleiches dürfte für Syrien gelten. Auch dort stehen sich der Iran und Saudi-Arabien indirekt gegenüber. Der Königshaus in Riad ist ein erklärter Gegner von Baschar al Assad und finanziert sunnitische Gruppen – nicht zuletzt extremistische – im Kampf gegen den Machthaber in Damaskus. Teheran wiederum stützt das syrische Regime mit allen Mitteln. Solange sich das Verhältnis zwischen Saudis und Iraner nicht bessert, gibt es laut Beobachtern kaum Hoffnung auf ein rasches Ende des Krieges. Auch wenn Januar unter Vermittlung der Vereinten Nationen über eine Übergangsregierung für Syrien verhandelt werden soll.

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