Finnland und Schweden streben in das Bündnis: Putins Kurs gegen die Nato-Osterweiterung wird zum Bumerang
Man nennt das Ironie der Geschichte. Wladimir Putins Aggressionen gelten ausdrücklich auch der Ausdehnung der Nato. Nun wird sie noch größer. Ein Kommentar.
Es könnte jetzt schnell gehen. Finnlands Präsident Sauli Niinisto will bis 12. Mai seine Position zur Nato klären, am 17. Mai wird er in Schweden erwartet. Dort trifft er König Carl XVI Gustaf. Die Hinweise verdichten sich, dass beide Länder an diesem Tag verkünden werden, einen Antrag auf Nato-Mitgliedschaft zu stellen.
Insbesondere für Schweden war Bündnisfreiheit 200 Jahre lang ein Teil der nationalen Identität. Damit zu brechen, markiert für die regierenden Sozialdemokraten um Magdalena Andersson ebenso so eine Zeitenwende, wie Bundeskanzler Olaf Scholz sie für die SPD vollzieht.
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Ironie der Geschichte: Der von Wladimir Putin befohlene Angriffs- und Eroberungskrieg, der sich vorgeblich auch gegen die Osterweiterung der Nato richtet, hat nun voraussichtlich eine Norderweiterung zur Folge mit einer zusätzliche Grenze von 1300 Kilometern. Deshalb droht Russland seit Wochen mit „massiven Konsequenzen“. Doch Schweden und Finnen zeigen sich unbeeindruckt.
Zustimmung zur Mitgliedschaft sprunghaft gestiegen
Russlands Krieg hat die Stimmung in beiden Ländern radikal verändert. Vor der Invasion lag die Zustimmung zu einer Nato-Mitgliedschaft bei maximal 30 Prozent. Inzwischen spricht sich eine klare Mehrheit dafür aus. Am größten ist die in Finnland, das bei dem Thema eine Art Schrittmacherfunktion einnimmt.
„Wir machen nur mit, wenn Finnland vorangeht“, hieß es lange Zeit in Schweden. Doch umgeben von den Nato- Ländern Dänemark, Norwegen und dann möglicherweise auch Finnland wäre ein weiteres Beharren auf Bündnisfreiheit für Schweden sinnlos geworden.
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Am vergangenen Freitag soll außerdem eine russische Propellermaschine in den schwedischen und dänischen Luftraum eingedrungen sein. Anfang März hatten vier russische Kampfflieger den schwedischen Luftraum verletzt.
Was Moskau wahrscheinlich als Abschreckung meint, dürfte das Misstrauen und die Bereitschaft, sich der westlichen Verteidigungsallianz anzuschließen, verstärkt haben.
Deren Arme sind weit geöffnet. Seit vielen Jahren gibt es gemeinsame Militärübungen, Nato- Generalsekretär Jens Stoltenberg hat zügige Aufnahmeverhandlungen zugesichert. Beim Gipfeltreffen Ende Juni in Madrid könnte das Gesuch aus Schweden und Finnland von den 30 Nato-Ländern prioritär beraten werden.
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Bis zur Vollmitgliedschaft, die die Beistandszusicherung nach Artikel 5 garantiert, dauert es dann zwar noch eine Weile, doch will Stoltenberg für die Übergangszeit gesonderte Vereinbarungen treffen.
Die geostrategische Bedeutung einer Nato-Mitgliedschaft von Schweden und Finnland lässt sich kaum überbewerten. Wenn ganz Skandinavien zum Bündnis gehört, würden sich auch die baltischen Staaten sehr viel sicherer fühlen.