Ukraine-Krieg: Putin verlangt Kapitulation ukrainischer Soldaten in Debalzewe
Im Ukraine-Konflikt kommt der OSZE eine besondere Rolle zu, doch es fehlt an Zugang und Personal. Unterdessen erobern die Separatisten weite Teile der umkämpften Stadt Debalzewe.
In Debalzewe könnte sich entscheiden, ob der in Minsk beschlossene Friedensplan für die Ostukraine überhaupt noch eine Chance hat, zumindest eine kleine. Rund um den strategisch wichtigen Verkehrsknotenpunkt gab es die meisten Verstöße gegen die Waffenruhe. Die von Russland unterstützten Separatisten haben dort mehrere tausend ukrainische Soldaten eingekesselt.
Am Dienstag wurde erstmals in den Straßen von Debalzewe gekämpft, am Abend kontrollierten die Separatisten weite Teile der Stadt – trotz Waffenruhe. Auch angesichts der erneuten Angriffe der pro-russischen Separatisten bekräftigte Kremlchef Wladimir Putin seinen Friedenswillen. Für die Lösung des Ukraine-Konflikts könne es „keine militärische Lösung“ geben, sagte er am Dienstag bei einem Ungarn-Besuch in Budapest.
Zugleich machte er die Einhaltung der in Minsk unter Vermittlung von Bundeskanzlerin Angela Merkel vereinbarten Waffenruhe in dem umkämpften Ort Debalzewo faktisch von einer Kapitulation der ukrainischen Verbände abhängig. „Die ukrainischen Offiziellen sollten ihre Soldaten nicht daran hindern, die Waffen niederzulegen“, sagte er. Dann würde die Waffenruhe auch Bestand haben. In New York forderte der UN-Sicherheitsrat einstimmig die sofortige Einhaltung der Waffenruhe.
OSZE sitzt 50 Kilometer von Debalzewe entfernt
Nur gut 50 Kilometer von der eingekesselten Stadt entfernt verhandelten am Dienstag internationale Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) mit ukrainischen und russischen Generälen, Vertreter der Separatisten waren per Videokonferenz zugeschaltet.
In den Gesprächen ging es um die Einhaltung der Waffenruhe und um Zugang für die OSZE-Beobachter nach Debalzewe. Bisher haben sich die Separatisten geweigert, sie in die Stadt zu lassen. Doch während die Gespräche in Soledar noch liefen, gingen die Kämpfe in Debalzewe mit neuer Härte weiter. Die Separatisten meldeten am Nachmittag stolz, sie hätten die Stadt nun „zu 80 Prozent“ eingenommen. „Nur ein paar Wohnviertel sind noch übrig, dann haben wir den Ort völlig unter Kontrolle.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel telefonierte bereits am Montag mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin. Angesichts der Lage in Debalzewe, wo die Waffenruhe nicht umfassend befolgt werde, „vereinbarten die Gesprächspartner konkrete Schritte, um eine Beobachtung der Lage durch die OSZE zu ermöglichen“, sagte Merkels Sprecher Steffen Seibert am Dienstag. Merkel und Poroschenko hätten zugleich an Putin appelliert, „seinen Einfluss auf die Separatisten geltend zu machen, damit diese das Feuer einstellen“.
Der Ständige Rat der OSZE kam wegen der Lage in der Ukraine am Dienstagnachmittag zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. Der Leiter der Beobachtermission, der türkische Diplomat Ertugrul Apakan, und die Schweizer Diplomatin Heidi Tagliavini berichteten über die Lage.
In den umkämpften ostukrainischen Bezirken Donezk und Luhansk hat die OSZE bis zu 250 unbewaffnete Beobachter im Einsatz, bald sollen es 350 sein. Doch auch das ist wahrscheinlich noch immer ein viel zu kleines Team. Ihre täglichen Berichte aus dem Konfliktgebiet liefern die einzigen unabhängigen Angaben über das Geschehen am Ort, und zeigen zugleich, dass sie nur stichprobenartig kontrollieren können.
Die OSZE soll den Abzug schwerer Waffen überwachen
Gemäß der Minsker Vereinbarung kämen – sollte sie eingehalten werden – noch weitere Aufgaben auf die Organisation zu: Die OSZE soll die Waffenruhe und den Abzug schwerer Waffen von der Front überwachen, und es gibt nicht eine, sondern gleich zwei Linien, hinter die Panzer und schwere Geschütze zurückgezogen werden sollen. Für die Separatisten gilt die im September in Minsk vereinbarte Linie, für die ukrainische Armee der derzeitige Frontverlauf. Die Pufferzone zwischen beiden Seiten kann zwischen 50 und 140 Kilometern breit sein.
Auch eine Überwachung der Grenze zu Russland können die Beobachter bisher nicht leisten, einem solchen Mandat würde Russland wahrscheinlich nicht zustimmen. Lediglich an zwei russischen Checkpoints darf die OSZE überhaupt kontrollieren. Unter Vermittlung der OSZE tagt außerdem die Kontaktgruppe, in der Vertreter der Ukraine, Russlands und der Separatisten versammelt sind.
Für die OSZE ist die Mission in der Ostukraine schon jetzt die zweitgrößte nach dem Kosovo-Einsatz. Der Organisation, die aus der im Kalten Krieg gegründeten Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) hervorging, gehören 57 Staaten an, darunter Russland und die USA. Der Konflikt im Donbass stellt die Organisation nun vor ganz neue Herausforderungen. (mit dpa)