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Der abgesetzte Chef der katalanischen Regionalregierung, Carles Puigdemont, in Barcelona.
© dpa/Manu Fernandez
Update

Entmachtung der Regionalregierung: Puigdemont fordert Katalanen zu friedlichem Widerstand auf

Katalonien hat offiziell keine autonome Regierung mehr. Für die nächsten Wochen wird die Region von Madrid aus gelenkt. Der abgesetzte katalanische Regierungschef Carles Puigdemont will weiter die Unabhängigkeit.

Der von der Zentralregierung in Madrid abgesetzte katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont hat die Bevölkerung zum "demokratischen Widerstand" gegen die Zwangsverwaltung aufgerufen. In einer Fernsehansprache am Samstag versicherte Puigdemont, er werde weiter für den Aufbau eines "freien Landes" arbeiten. Die Katalanen sollten "friedlich, ohne Beleidigungen" und "respektvoll gegenüber den Katalanen, die nicht für die Unabhängigkeit sind" demonstrieren. Er nutze einen Großteil seiner Rede, um der spanischen Regierung die Legitimität für die getroffenen Maßnahmen abzusprechen.

Madrid trieb derweil die Zwangsverwaltung Kataloniens weiter. Mit einer Bekanntmachung im Amtsblatt wurden Puigdemont und sein Stellvertreter Oriol Junqueras offiziell abgesetzt. Puigdemonts Rede wurde auch schriftlich veröffentlicht. Diese Fassung war unterzeichnet mit "Carles Puigdemont, Präsident der Generalitat (Regierung) Kataloniens". Es war das erste Mal seit seiner Absetzung in Folge der katalanischen Unabhängigkeitserklärung am Freitag, dass sich der Politiker äußerte.

Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy hat am frühen Samstag offiziell die Amtsgeschäfte des abgesetzten katalanischen Regierungschefs Carles Puigdemont übernommen. Auch die übrigen Mitglieder der nach Unabhängigkeit strebenden Regierung in Barcelona wurden mit der offiziellen Veröffentlichung im Amtsblatt für abgesetzt erklärt. Der spanische Senat hatte mit der Billigung des nie zuvor angewandten Verfassungsartikels 155 am Vortag den Weg für die Entmachtung der Regierung und für Neuwahlen am 21. Dezember freigemacht (hier die Chronologie des gestrigen Tags zum Nachlesen).

Nach Informationen der Zeitung „El Pais“ hat Rajoy Vizepräsidentin Soraya Sáenz de Santamaría mit der Übernahme der Verantwortung für die täglichen Amtsgeschäfte betraut. Sie hat offiziell den Posten des abgesetzten katalanischen Vizes Oriol Junqueras übernommen. Insgesamt mussten 150 Mitarbeiter der Regierung gehen.

Spaniens Ministerpräsident bei einer Pressekonferenz in Madrid.
Spaniens Ministerpräsident bei einer Pressekonferenz in Madrid.
© AFP/Javier Soriano

Wie reagieren die Katalanen?

Ob und wie sich die katalanischen Minister an die Anordnung halten, war am Samstag noch unklar. Laut der Zeitung „Vanguardia“ könnten sie noch versuchen, rechtlich gegen die Absetzung vorzugehen. Auch die beiden Chefs der katalanischen Polizeieinheit Mossos d'Esquadra, Pere Soler und Josep Lluís Trapero, wurden abgesetzt. Im Fall Trapero war zunächst vermutet worden, dass er seinen Posten behalten könne. Am Samstag wurde jedoch auch seine Absetzung offiziell bestätigt. Soler hat seinen Posten nach Informationen der Zeitung „El Mundo“ bereits widerstandslos geräumt. Er habe sich in einem Schreiben von seinen Mitarbeitern verabschiedet.

Die katalanische Regionalpolizei Mossos d'Esquadra ist in der Region verwurzelt. Bei dem auch gewaltsamen Vorgehen gegen Demonstraten bei dem Referendum am 1. Oktober hatte sie sich zurückgehalten. Für die Gewalt wurde in erster Linie die spanische Guardia Civil verantwortlich gemacht.

Am Samstag rief die Regionalpolizei ihre Beamten auf, sich im Unabhängigkeitsstreit mit Spanien neutral zu verhalten. "Es ist unsere Verantwortung, die Sicherheit aller zu gewährleisten", hieß es der Nachrichtenagentur Reuters zufolge in einem internen Vermerk der Polizeiführung. In Kataloniens Hauptstadt Barcelona blieb die Lage am Samstag ruhig. Angesichts der emotional angespannten Lage gibt es Unsicherheit darüber, wie sich die in Anhänger und Gegner der Unabhängigkeit gespaltene Regionalpolizei verhalten würde, falls sie den abgesetzten Regierungschef Carles Puigdemont und seine Regierung aus den Regierungsgebäuden vertreiben müsste. Es werde wahrscheinlich mehr Versammlungen und Kundgebungen geben, hieß es in dem Polizeivermerk. Die Polizei müsse ihren Beitrag leisten, dass diese störungsfrei stattfinden könnten. In Madrid demonstrierten am Samstag mehrere Tausend Menschen für die Einheit des Landes, nachdem in Barcelona am Vorabend Tausende die Unabhängigkeit gefeiert hatten.

Tausende protestieren für ein geeintes Spanien

Derweil protestierten tausende Menschen für die Einheit Spaniens. Bei einer Kundgebung in Madrid jubelten und tanzten die Demonstranten zu den Klängen von "Viva España" auf den Straßen. In die Fahne Spaniens gehüllt riefen sie aber auch: "Es lebe Katalonien". Die Kundgebung fand am Mittag auf dem zentralen Plaza Colón statt. Viele hatten erst am Morgen im Radio von der spontan angesetzten Kundgebung gehört. Die Demonstranten ließen Ministerpräsident Rajoy hochleben, für den abgesetzten katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont gab es dagegen Buhrufe, wenn er in Reden erwähnt wurde. Die Menge skandierte sogar „Puigdemont - Verräter!“

15 Tage Zeit für Wahlkampf

In der digitalen Form des Amtsblattes wurden am Samstag auch erste Details zu den geplanten Wahlen veröffentlicht. Demnach haben die Parteien für den Wahlkampf 15 Tage Zeit. Er beginnt am 5. Dezember. Das katalanische Parlament hatte am Freitag nur kurz vor der Entscheidung im Senat für einen Prozess zur Loslösung von Spanien und zur Gründung eines unabhängigen Staates gestimmt - allerdings ohne einen Zeitplan festzulegen. Tausende auf den Straßen bejubelten dies als Unabhängigkeitserklärung.

Bei einer Demonstration von ultrarechten Gruppen gegen den Unabhängigkeitsbeschluss beschädigten Teilnehmer am späten Freitagabend Glastüren und Fenster des Radiosenders Catalunya Radio. Nach Berichten der Zeitung „El Diario“ und anderer Medien wurden auch Passanten attackiert. (mes, mha, AFP, dpa, Reuters)

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