Regierungskrise in der Ukraine: Proeuropäische Koalition ist vorerst gescheitert
In der Ukraine hat auch die liberale Partei Samopomitsch die Koalition von Regierungschef Jazenjuk verlassen. Findet sich keine neue Regierung, kann Präsident Poroschenko das Parlament auflösen.
Die proeuropäische Koalition des ukrainischen Regierungschefs Arseni Jazenjuk ist vorerst gescheitert. Die liberale Partei Samopomitsch (Selbsthilfe) erklärte am Donnerstag in Kiew ihren Austritt aus dem Bündnis. Ohne eigene Mehrheit steht Jazenjuks Allianz von zuletzt noch drei Parteien vor dem Aus. Zu einer Mehrheit fehlen ihnen mindestens neun Mandate.
Wenn sich innerhalb von 30 Tagen keine neue Regierung findet, kann Präsident Petro Poroschenko das Parlament auflösen und vorgezogene Neuwahlen ausrufen. Die Koalition für eine „Europäische Ukraine“ hatte sich Ende 2014 gebildet.
Jazenjuk gab sich in einer ersten Reaktion kämpferisch. „Wir werden nicht zulassen, dass das Land in einem Strudel von Instabilität und Chaos versinkt“, sagte er. Einen zuletzt auch von Staatschef Poroschenko geforderten Rücktritt schloss er aus. Erst am Dienstag war ein Misstrauensvotum gegen Jazenjuk gescheitert.
Samopomitsch warb für einen Neuanfang. Fraktionschef Oleg Beresjuk warf der Führung um Jazenjuk Vetternwirtschaft und Korruption vor. Die Politik des Landes müsse sich von der Macht der Oligarchen lösen, forderte er. Reiche Geschäftsleute üben in der Ukraine großen Einfluss auf weite Teile der Abgeordneten aus.
Der Schritt von Samopomitsch war erwartet worden. Es ist bereits die dritte Partei, die Jazenjuk den Rücken kehrt. Am Mittwoch hatte die Vaterlandspartei von Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko die Koalition verlassen. Im September war bereits die Radikale Partei aus der Regierung ausgetreten.
Jazenjuk kündigte an, weiter mit der Präsidentenpartei Petro-Poroschenko-Block arbeiten zu wollen. Er sagte, er wolle rasch Gespräche mit der bislang oppositionellen Radikalen Partei und dem Petro-Poroschenko-Block über eine neue Allianz führen. „Lassen Sie uns eine neue Seite aufschlagen“, forderte er. „Wir haben kein Recht, das schreckliche Szenario des Zerfalls des Landes zuzulassen.“
Die Radikale Partei erklärte sich zu Gesprächen bereit. „Wir wollen zum Wohle des Landes eine Lösung finden“, sagte Parteichef Oleg Ljaschko. Der Poroschenko-Block und Jazenjuks Volksfront verfügten zuletzt zusammen über 217 Mandate in der Obersten Rada. Die Radikale Partei hat 21 Abgeordnete. Für eine Mehrheit sind 226 Stimmen nötig.
Die Regierungskrise könnte die fragile Finanzlage zum Kippen bringen
Die tiefe Regierungskrise könnte die seit Monaten fragile Finanzlage zum Kippen bringen. Sollte es zu Neuwahlen kommen, erwarten Experten eine weitere Verzögerung der bereits seit Oktober ausstehenden Hilfen des Internationalen Währungsfonds (IWF).
Auch die Umsetzung des Minsker Friedensplans für die Ostukraine gerät durch die Krise in Kiew ins Wanken. Die ukrainische Führung und die prorussischen Separatisten haben bislang kaum einen Punkt aus dem Friedensfahrplan umgesetzt. (dpa)