Großbritannien und die EU: Premierministerin May strebt wohl "harten Brexit" an
Großbritanniens Regierungschefin Theresa May plant offenbar einen "sauberen Schnitt" mit Brüssel. Bei ihrer Grundsatzrede zum EU-Austritt will sie laut Berichten einen harten Kurs ankündigen.
Die britische Premierministerin Theresa May strebt übereinstimmenden Zeitungsberichten zufolge einen harten Schnitt mit der EU an. Die Pläne der Regierungschefin für den Brexit sähen einen Ausstieg Großbritanniens aus dem EU-Binnenmarkt, aus der Zollunion und ein Verlassen des EU-Gerichts vor, berichteten mehrere britische Zeitungen am Sonntag. May will ihre Vorstellungen am Dienstag in einer Rede darlegen.
Mays Pläne liefen auf einen so genannten "harten Brexit" hinaus - im Kern stünde also ein klarer Bruch mit dem gemeinsamen Markt. Dies würde es Großbritannien erlauben, auch die EU-Personenfreizügigkeit zu beenden und seine Einwanderungspolitik wieder vollständig alleine zu kontrollieren. Für viele Brexit-Befürworter war dies ein wichtiges Anliegen bei dem Referendum im Juni.
Die Alternative, die in den vergangenen Monaten ebenfalls diskutiert wurde, wäre ein "softer Brexit", der Großbritannien einen weiteren Zugang zu Binnenmarkt im Austausch für Zugeständnisse etwa bei der Freizügigkeit eingeräumt hätte. Der "Sunday Telegraph" zitierte einen Regierungsvertreter mit den Worten: "Sie will es voll durchziehen. Die Leute werden wissen: Als sie sagte, 'Brexit heißt Brexit', meinte sie genau dieses." Die "Sunday Times" schrieb, May werde einen "sauberen und harten Brexit" ankündigen.
Den Berichten zufolge will May in ihrer Rede am Dienstag auch dazu aufrufen, die Spaltung des Landes in Gegner und Befürworter des EU-Ausstiegs zu überwinden. Sollte sich May aber tatsächlich für einen "harten Brexit" aussprechen, dürfte das die Brexit-Gegner weiter verärgern. Ende März will May in Brüssel offiziell das Austrittsgesuch Großbritanniens einreichen, es bleiben dann zwei Jahre für die Austrittsverhandlungen. Bislang hatte May offengelassen, welche genauen Ziele sie in den Verhandlungen anstrebt.
London erwägt nach Austritt neues Wirtschaftsmodell
Großbritanniens Finanzminister Philip Hammond zufolge wird die Regierung in London bei einem fehlenden Zugang zum europäischen Markt sein Wirtschaftsmodell überdenken. Es sei zu hoffen, dass das Land in Bezug auf das Steuer- und Sozialsystem sowie die Regulierung der Wirtschaft erkennbar europäisch bleiben könne, sagte Hammond der "Welt am Sonntag". "Aber wenn man uns zwingt, etwas anderes zu sein, dann werden wir etwas anderes werden müssen." Auslöser könnten die ökonomischen Umstände sein. "Wenn wir keinen Zugang haben zum europäischen Markt, wenn wir ausgesperrt werden, wenn Großbritannien die Europäische Union verließe ohne eine Übereinkunft über einen Marktzugang, dann könnten wir zumindest kurzfristig wirtschaftlichen Schaden erleiden. In diesem Fall könnten wir gezwungen sein, unser Wirtschaftsmodell zu ändern." Die Regierung in London hat bereits niedrigere Steuersätze für Unternehmen angekündigt.
Hammond ergänzte, im Frühjahr werde die Absicht offiziell mitgeteilt, aus der EU auszutreten. "Wir erwarten, dass wir mit substanziellen Verhandlungen mit der EU vor dem Sommer beginnen könnten." Ungewissheit schade der Wirtschaft in ganz Europa. "Wir würden gern so viel Klarheit wie möglich so früh wie möglich schaffen. Und wir hoffen, dass wir uns schnell einig werden, wie ein zukünftiges Arrangement aussehen könnte, und dass wir 2019 nahtlos dazu übergehen können."
Das Brexit-Votum von Ende Juni habe auch die klare Botschaft gesendet, dass das Land Kontrolle über die Zuwanderung haben müsse. "Im Moment haben wir gar keine Kontrolle, so wenig wie Deutschland sie hat. Das muss aufhören." Weil auf der Insel Vollbeschäftigung herrsche, brauche die Wirtschaft Zuwanderer. "Daher werden wir uns rational und ökonomisch vernünftig verhalten." (AFP, Reuters)