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Teure Arznei. Die Pharmahersteller dürfen die Preise für neue Arzneimittel ohne Festbetrag auch künftig nicht erhöhen.
© dpa

Koalitionsverhandlungen: Preisbremse für neue Arznei

Union und SPD verständigen sich darauf, die Pharmahersteller weiter zu belasten. Im Gegenzug soll die Nutzen-Analyse für bereits im Verkauf befindliche Medikamente wegfallen .

Die Gesundheitspolitiker von Union und SPD haben sich darauf verständigt, die Pharmaindustrie weiter mit einem Preismoratorium für neue Arznei zu belasten. Zudem müssen sie den Krankenkassen künftig einen Zwangsrabatt in Höhe von sieben Prozent gewähren. Der Rabatt war im Zuge der Spargesetze vor drei Jahren von sechs auf 16 Prozent erhöht worden. Diese Regelung sollte nach bisheriger Planung allerdings Ende 2013 ebenso auslaufen wie das Verbot, die Preise für Arzneimittel ohne Festbetrag zu erhöhen.

Die Verlängerung bringe eine jährliche Ersparnis von bis zu 700 Millionen Euro, rechneten die Verhandlungsführer Jens Spahn (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) vor. Im Gegenzug soll auf die Überprüfung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses von bereits verkauften Medikamenten verzichtet werden. Dies brächte deutlich geringere Einsparungen als die Fortschreibung von Preiserhöhungs-Verbot und Zwangsrabatt, so die Unterhändler. Unberührt bleibt die Nutzenbewertung der neu auf den Markt gebrachten Arzneimittel, die ein Kernstück des Arzneispargesetzes der vormaligen Regierung ist. Nach Angaben des Krankenkassen-Spitzenverbands wurden dadurch bis Mai 2013 rund 120 Millionen Euro gespart. Die Überprüfung sollte in den nächsten Monaten auch auf ältere Arzneimittel mit Patentschutz ausgeweitet werden, dazu kommt es nun nicht mehr.

Krankenkassen loben den Kompromiss

Die Krankenkassen zeigten sich mit der Einigung zufrieden. „Die Idee, statt der aufwendigen Bewertung des Bestandsmarktes auf die Absenkung des Herstellerabschlags zum Jahreswechsel zu verzichten und das Preismoratorium zu verlängern, halten wir als pragmatischen und unbürokratischen Weg für denkbar“, sagte Verbandssprecher Florian Lanz dem Tagesspiegel. Der Patentschutz für diese Mittel laufe bis 2018 ohnehin aus, danach gelten Festpreise. Lauterbach räumte ein, dass es sich um einen Kompromiss handle, die SPD hätte gerne einen höheren Zwangsrabatt gehabt. Die Linkspartei sprach von einem "Kuhhandel" zugunsten der Pharmaindustrie. Ein Ende der Nutzenbewertung für den Bestandsmarkt hatte auch der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses, Josef Hecken, gefordert. Die Beurteilung von Produkten, die sich teilweise schon länger als fünf Jahre auf dem Markt befinden, hätte den Gutachtern große Probleme beschert und den Kassen wenig eingebracht.

Die Pharmaindustrie übte heftige Kritik. Birgit Fischer, die Hauptgeschäftsführerin des Verbands forschender Arzneimittelhersteller, bezeichnete die Fortsetzung des Preismoratoriums und des Zwangsrabatts als "massiven Eingriff in die Grundrechte der Unternehmen". Da noch nicht einmal ein Inflationsausgleich stattfinde, werde die Pharmaindustrie "langfristig von der Preisentwicklung abgekoppelt". Nominal sei von einem Zwangsrabatt von sieben Prozent die Rede, real handle es sich für die Unternehmen jedoch wegen der allgemeinen Preisentwicklung seit 2009 um 12,5 Prozent. Mit ihren Beschlüssen hätten sich die künftigen Koalitionäre "zur Planwirtschaft bekannt und im Arzneimittelmarkt endgültig Abschied von der Marktwirtschaft genommen", hieß es beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie.

Weitgehend einig sind sich die Gesundheitsexperten auch in dem Ziel, mehr Qualität in die ambulante Versorgung zu bringen - und diese messbar zu machen. Ob und inwieweit das zu einer Ausweitung und stärkeren Förderung von hausarztzentrierter Versorgung führt, blieb vorerst noch offen.

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