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Will nicht mehr Kandidieren. Dieter Graumann, noch Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland
© dpa

Zentralrat der Juden: Präsident Dieter Graumann tritt ab

Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, wird überraschend nicht weiter für das Amt kandidieren. Bei seinem Amtsantritt hatte er einen "Mentalitätswechsel" angekündigt - wurde dabei aber immer wieder durch aktuelle Debatten zurückgeworfen.

Es gibt angenehmere Ämter, als Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland zu sein. Wer keine hohe Frustrationstoleranz hat, braucht gar nicht anzutreten. Im Verhältnis von jüdischen und nichtjüdischen Deutschen ist eben nichts „normal“. Im Gegenteil: 69 Jahre nach dem Ende der Shoah fragen sich viele Juden ernsthafter denn je, ob Deutschland ihre Heimat ist.

Am Freitag kündigte Dieter Graumann in einem Brief ans Direktorium des Zentralrats überraschend an, dass er bei der turnusmäßigen Neuwahl am 30. November nicht mehr für das Amt des Präsidenten kandidieren werde. Bei seinem Amtsantritt 2010 hatte er einen „Mentalitätswechsel“ angekündigt. Er wolle nicht immer nur mahnen und kritisieren, sondern die „putzmuntere Tradition des Judentums vermitteln“. Dann kam die Beschneidungsdebatte. Die Entfernung der Vorhaut ist für Juden das wichtigste religiöse Gebot. Kölner Richter werteten das Ritual 2012 als „Körperverletzung“. Viele Juden waren schockiert. Erst recht, als ihnen in Kommentaren vorgehalten wurde, sie würden ihre Kinder misshandeln, und in Deutschland sei kein Platz für „archaische Rituale“.

Graumann musste einmal mehr aus der Defensive heraus agieren und mahnen. Er verhinderte zwar auf politischer Ebene, dass die Beschneidung verboten wurde. Doch von seiner Hoffnung auf mehr Selbstverständlichkeit zwischen Juden und Nichtjuden war nicht mehr viel übrig. Als in diesem Sommer antisemitische Hetzparolen auf deutschen Straßen gebrüllt wurden und berechtigte Israel-Kritik in unfaires Israel-Bashing umschlug, wurde deutlich, wie groß die Distanz ist.

Auch intern stand Graumann unter Druck

Auch intern stand Graumann unter Druck. Einige fanden, Graumann sei während des Gazakriegs zum israelischen Botschafter mutiert, was sie nicht angemessen fanden für einen deutschen Vertreter der Juden. Anderen ging er nicht weit genug. Der Publizist Henryk Broder wirft ihm vor, sich an Deutschland anzubiedern. Der Schriftsteller Maxim Biller kritisierte kürzlich in der Wochenzeitung „Die Zeit“, Graumann betreibe „Mimikry“ und hänge untergegangenen Träumereien nach.

„Wir Juden sind getroffen. Aber wir lassen uns nicht unterkriegen. Resignieren gilt nicht“, sagte Graumann im September. Es scheint, als habe der 64-Jährige nun doch resigniert. Das Ehrenamt habe ihm „außergewöhnlich viel Kraft und Zeit abgefordert“, schrieb Graumann. Er wolle sich wieder mehr seiner Familie widmen. Josef Schuster, sein Stellvertreter im Präsidium, will nun für den Chefposten kandidieren.

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