Merkel lehnt UN-Angebot ab: Power-Yoga wäre unziemlich, ein Honoratiorenjob unterambitioniert
Es ist schwer, sich eine passende Beschäftigung für die krisenfeste Ex-Kanzlerin vorzustellen. Das Übliche kommt für sie nicht in Frage. Eine Glosse.
Nicht viele wissen, wie sich anfühlt, was Angela Merkel gerade erlebt: den kalten Entzug von Macht und Bedeutung. Da müssen jene durch, deren Amtszeit vorbei ist – ob sie Kanzlerin waren oder Präsident oder aus dem Palast gejagter Diktator. Macht macht süchtig, Macht bewegt einen wie Adrenalin; wer sie abgibt, dürfte große Leere fühlen.
Ausschlafen wolle sie, sagte die Kanzlerin beim Abschied. Bei einem Schlafpensum von angeblich bisher nur vier Stunden hätte sie zwar einiges nachzuholen. Eine erfüllende Beschäftigung für jemanden, der ein hohes Spannungsniveau im Alltag gewohnt ist, ist das aber nicht.
Im Dezember sah man sie im Deutschen Theater zur Premiere von „Der zerbrochene Krug“. Nebenbei wird sie die Memoiren konzipieren, die sie mit ihrer Vertrauten und ehemaligen Büroleiterin Beate Baumann schreiben will. Dann wäre da noch Joachim Sauer, ihr Ehemann, als solcher selten an ihrer Seite zu sehen und als Professor für Chemie neuerdings an der Universität von Turin engagiert für Seminare und Vorträge.
Und die Uckermark? Das Wandern, Kochen und Backen tragen jemanden im Zenit seiner Bedeutung nicht durchs Leben.
Zu Power-Yoga mag man der Power-Frau nicht raten
Es ziemt sich nicht, einer ungeschlagenen Größe wie Angela Merkel Beschäftigungstipps à la Power-Yoga oder Durchwandern der mongolischen Steppe nahezulegen, auch wenn der Satz zutreffen mag: „Die Steppe gibt die Freiheit, die Steppe gibt das Glück.“
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Aber wo könnte Angela Merkel ihr Verhandlungsgeschick und ihre erstaunliche Krisenfestigkeit sinnvoll einbringen? Da fällt einem so schnell nichts Passendes ein.
Den Job anzunehmen, den ihr jetzt UN-Chef Antonio Guterres angeboten hat, wäre, mit Verlaub, unterambitioniert: Beraterin in einem Gremium zum Umgang mit öffentlichen Gütern. Solche Gremien existieren vermutlich zu dem Zweck, Ex-Bedeutungsträgern etwas anbieten zu können, das diese dann dankend ablehnen. Was Angela Merkel sogleich getan hat.
Beim Grübeln darüber, was der Langstreckenkanzlerin gut zu Gesicht und Charakter stünde, fällt einem wenig ein: Die Produktion von Fernseh-Unterhaltung und die Beratung von Netflix für zynische Polit-Serien oder Lobbyismus für, sagen wir, Windenergieanlagen unterlässt sie sicher. Eine Ausnahme von der Fernsehabstinenz wäre aber doch schön: das Gespräch mit einem, der ähnlich viel wie sie von Macht versteht und einiges davon, sich zu verändern – eine Rede-Runde beim Rotwein mit Gerhard Schröder.