Kreisgebietsreform in Brandenburg: Potsdams Ministerpräsident teilt das Land neu auf
Die Kreisgebietsreform fällt radikaler aus als erwartet. Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) wagt eine riskante neu soll demographiegeplagte Land neu eingeteilt werden. soll, hat Unwuchten. Deshalb ist sie für Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) riskant. Ein Kommentar.
Er will seine eigene Furche ziehen. So hatte es Dietmar Woidke formuliert, als er vor gerade drei Jahren Brandenburgs Ministerpräsident wurde. Seitdem regierte der Lausitzer, formulieren wir es mal positiv, unspektakulär, ohne Glanz. Doch nun überrascht seine rot-rote Regierung mit einem Plan, der die Mark umpflügt – und wie. Mit einer Kreisgebietsreform, die radikaler ausfällt als erwartet. Von 14 Kreisen sollen ab 2019 noch neun übrig bleiben, die Städte Frankfurt, Cottbus und Brandenburg werden gleich einverleibt. Eine „Karte der Willkür“, wie die märkische Union zürnt?
Es ist ein bisschen verkehrte Welt. Bei der letzten Reform, 2001 auf Gemeindeebene, war noch die Union von Jörg Schönbohm der Treiber, und die Linke blockierte. Nun ist es andersherum.
Die bisherigen Kreisgrenzen mit 18 Gebietskörperschaften stammen aus dem Jahr 1993. Sie passen heute noch, aber nicht mehr für das demografiegeplagte Brandenburg von 2030, 2040, wenn in den Landstrichen fernab von Berlin weit weniger Menschen leben werden, während es im Speckgürtel noch enger wird. Brandenburg ist eines der letzten Ost-Länder, das die „Kleinstaaterei“ anpackt. Allerdings haben andere wie Mecklenburg-Vorpommern für Murks viel Lehrgeld gezahlt. Und ja, die Kassen Brandenburgs sind dank sprudelnder Steuern gefüllt wie nie, um eine solche Reform auch stemmen zu können, bei der zum Beispiel hoch verschuldete Städte und Kreise auf eigene Füße kommen müssen. Aber muss die Karte aussehen wie vom Reißbrett? Ist es klug, im Süden den DDR-Bezirk Cottbus wieder aufleben zu lassen, gleich drei Kreise zu einem Mega-Lausitz-Kreis zu verschmelzen, doppelt so groß wie das Saarland? Das Argument, die gespaltene Region so auch für die Zeit nach der Braunkohle zu einen und den Strukturwandel zu rüsten, ist nachvollziehbar.
Was dagegen spricht? Größe ist kein Wert an sich. Man muss es vor Ort wollen, nicht in Potsdam. Und ausgerechnet die Region Brandenburgs, die vielleicht am dringendsten finanziellen Ausgleich brauchen wird, läge autark im Süden – nicht nach dem bewährten Modell auf Berlin ausgerichteter Tortenstück-Kreise, sondern vom Speckgürtel abgekoppelt. Dort sollen dafür mit Dahme-Spreewald und Teltow-Fläming zwei starke Kreise zu einem Superkreis fusionieren, dem dann wirtschaftsstärksten in Ostdeutschland. Es wäre ein Motor, aber auch der dominierende Brandenburgs, und der Landrat wäre ein zweiter Ministerpräsident. Diese Reform hat, mindestens das, Unwuchten. Und das Verfahren, holterdiepolter eine Karte zu veröffentlichen, aber erst danach die Detailhausaufgaben im Kabinett zu machen, läuft nicht rund.
Und Woidke? Er geht ein hohes Risiko ein. Der Opposition liefert er die Steilvorlage für das Volksbegehren gegen die Reform. In der SPD rumort es kurz vor dem Wahlparteitag, wo ihm eine Schlappe droht. Es war – mit Ministerrücktritt, dem Rausschmiss von Vertrauten aus der Regierungszentrale und weiteren Pannen – bisher kein gutes Jahr für ihn. Die Kreisreform kann gefährlich werden – oder ihn als durchsetzungsfähigen Regenten stärken. Zaudern jedenfalls kann man Brandenburgs Regierungschef nicht mehr vorwerfen.