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CDU-Minister Stahlknecht wurde erst vom türkischen Konsul informiert.
© dpa

Sachsen-Anhalt: Polizei soll Opfer eines rechtsextremen Angriffs im Stich gelassen haben

„Als die Beamten kamen, haben sie bei mir einen Alkoholtest gemacht und gesagt, ein Arzt sei nicht nötig“, sagt der türkische Imbissbetreiber. Dabei hatte der Mann aus dem Ohr geblutet.

Der Mann hat immer noch Angst. „Ich schlafe schlecht, ich habe Alpträume“, sagt der türkische Imbissbetreiber. Seinen Namen möchte er keinesfalls veröffentlicht sehen. Seit dem 25. Februar will der Mann nur noch weg aus Mücheln, der 9000 Einwohner zählenden Kleinstadt im Süden von Sachsen-Anhalt. An jenem Sonnabend randalierten mutmaßliche Rechtsextremisten in seinem Lokal. Die Angreifer hätten ihn getreten und verlangt, bis zum 20. April müsse er den Imbiss schließen, sagt er. Der 20. April ist das Datum von Hitlers Geburtstag. Der Mann klagt, die von seiner Frau zu Hilfe gerufene Polizei habe den Angriff nicht ernst genommen.

„Ich habe aus dem rechten Ohr geblutet“, sagt der Imbissbetreiber. „Als die Beamten kamen, haben sie bei mir einen Alkoholtest gemacht und gesagt, ein Arzt sei nicht nötig.“ Sachsen-Anhalt, so scheint es, muss sich wieder einmal mit einem problematischen Einsatz von Polizisten auseinandersetzen.

Das Verhalten der Beamten sei „ungeschickt und flapsig“ gewesen, sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Halle. Von den Schlägern, der Imbissbetreiber erinnert sich an sechs Personen, hat die Polizei zwei Männer ermittelt. Der 20-Jährige und der 54-Jährige seien „justiziell bekannt“, sagt der Staatsanwalt. Die Vorwürfe lauten nun gefährliche Körperverletzung und Sachbeschädigung. Bei dem Angriff ging auch eine Scheibe zu Bruch. Gegen den Türken liegt ebenfalls eine Strafanzeige vor. Er soll dem 54-Jährigen ein Hämatom zugefügt haben.

Erst in der vergangenen Legislaturperiode hatte ein Untersuchungsausschuss des Landtages Versäumnisse der Polizei bei der Bekämpfung rechter Kriminalität beleuchtet. Einer der härtesten Fälle waren die Fehler der Polizei bei einem Überfall von Neonazis auf Schauspieler in Halberstadt im Juni 2007. An diese Geschichte fühlt sich der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, Rüdiger Erben, erinnert. „Der Fall Mücheln ist wie Halberstadt: Die Polizei erkennt die Tragweite des Angriffs nicht und kümmert sich zu wenig um das Opfer.“ Nun soll Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) auf einer Sondersitzung des Innenausschusses befragt werden.

Stahlknecht ist verärgert über die örtliche Polizei. Schon als die Frau des Imbissbetreibers den Notruf absetzte, habe ein Beamter nachlässig reagiert. Der Minister erfuhr auch erst durch einen Brief des türkischen Generalkonsuls in Hannover von dem Angriff. Stahlknecht will nun ein Zeichen setzen. An diesem Dienstag trifft er sich mit dem Imbissbesitzer und dessen Frau bei dem Konsul in Hannover.

Seit dem Vorfall traue sich kaum ein Kunde in das Lokal, sagt der Betreiber. Ihm drohe der Ruin. Die Mobile Opferberatung Sachsen-Anhalt hat eine Spendenaktion eingeleitet.

www. mobile-opferberatung.de

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