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 Die Demonstranten reagieren auf Tränengas während Zusammenstoßen mit Polizisten.
© dpa/Vincent Yu

Neue Ausschreitungen in Hongkong: Polizei setzt Tränengas gegen Regierungsgegner ein

Hongkong kommt nicht zur Ruhe. Erstmals wird die Vertretung der chinesischen Führung attackiert. Die Repräsentanten Pekings reagieren empört.

Nach einem neuen Massenprotest in Hongkong ist es wieder zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und Demonstranten gekommen. Sicherheitskräfte setzten am Sonntag Tränengas ein, um Aktivisten zu vertreiben, die Straßen blockierten. Erstmals richtete sich der Protest nicht mehr nur gegen die Hongkonger Regierung, sondern auch direkt gegen Pekings Vertretung. Nach dem Protestmarsch zogen Hunderte Menschen zum Verbindungsbüro der chinesischen Führung. Einige bewarfen das Gebäude mit Eiern und schwarzer Farbe. Auch das Emblem der Volksrepublik wurde beschmutzt.

Chinas Staatsmedien reagierten empört. „Das ist ein Aufruhr“, schrieb die „Global Times“. Das Verbindungsbüro verurteilte den Angriff als Herausforderung der Autorität der Pekinger Zentralregierung und des Grundsatzes „ein Land, zwei Systeme“, nach dem die chinesische Sonderverwaltungsregion autonom mit eigenen Freiheiten regiert wird. Die Hongkonger Regierung kritisierte den Angriff als Verstoß gegen Recht und Ordnung, wie der Hongkonger Rundfunk RTHK berichtete.

Zu den Zwischenfällen kam es nach einem Protestmarsch, an dem nach Angaben der Organisatoren 430.000 Menschen teilgenommen hatten. Nach Schätzungen der Polizei, die in Hongkong in der Regel sehr niedrig ausfallen, sollen es nur 138 000 Teilnehmer gewesen sein. Demonstranten blockierten Straßen in der Nähe des Regierungssitzes und des Parlaments, die jeweils mit massiven, zwei Meter hohen Absperrungen abgesichert worden waren.

Es gab auch Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen Gruppen und Demonstranten. Schläger in weißen T-Shirts schlugen am U-Bahnhof Yuen Long mit Stöcken auf heimkehrende Demonstranten und Reporter ein, wie in Videos in sozialen Medien zu sehen war. Augenzeugen vermuteten, dass chinesische Triaden hinter den Angriffen der vermutlich angeheuerten Schläger steckten.

Es war der dritte Massenprotest seit Juni. Bei den ersten Kundgebungen hatten nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen Hunderttausenden und zwei Millionen Menschen teilgenommen. Die Demonstranten forderten diesmal erneut einen förmlichen Rückzug des umstrittenen Auslieferungsgesetzes und auch eine unabhängige Untersuchungskommission, die die Polizeigewalt bei Zusammenstößen am Rande früherer Demonstrationen beleuchten soll.

Die Polizei feuert Tränengas auf die Demonstranten.
Die Polizei feuert Tränengas auf die Demonstranten.
© REUTERS/Tyrone Siu

Im Vorfeld hatte die Polizei ein Waffenlager in einem Lagerraum einer Unabhängigkeitsgruppe gefunden. Die Polizei stellte zwei Kilogramm Sprengstoff, Brandsätze, Säure, Messer und Metallstangen sicher. Außer einem 27-Jährigen nahm die Polizei am Samstagabend zwei 25-Jährige fest. Die Ermittler untersuchten nach eigenen Angaben, ob ein Zusammenhang mit den Protestaktionen besteht.

Der Lagerraum war von der Hongkonger National Front gemietet worden, die für die Unabhängigkeit des chinesischen Territoriums eintritt. Die Gruppe beteuerte aber nach Medienberichten, nichts von dem Sprengstoff gewusst zu haben. Es seien dort nur Lautsprecheranlagen und Informationsmaterial gelagert worden. Der festgenommene 27-Jährige gehöre der Organisation an.

Polizei hatte auf „Geheimdienstinformationen“ reagiert

Die Polizei hatte auf „Geheimdienstinformationen“ reagiert, als sie das Lager am Freitagabend entdeckte, wie die „South China Morning Post“ berichtete. Bei dem Sprengstoff handelte es sich demnach um hochexplosives TATP (Triacetontriperoxid), das auch schon von Islamisten bei Anschlägen in Europa verwendet wurde. „Ich denke, es ist ohne Zweifel die größte Menge, die wir jemals in Hongkong gefunden haben“, wurde Superintendent Alick McWhirter zitiert.

Die frühere britische Kronkolonie kommt seit Wochen nicht zur Ruhe. Der Protest richtet sich gegen die Peking-treue Regierung und auch Chinas wachsenden Einfluss. Nach einer Demonstration am 1. Juli stürmten Aktivisten sogar das Parlament. Auslöser der Proteste war das inzwischen auf Eis gelegte Gesetz für Auslieferungen von Personen an China, die von der chinesischen Justiz beschuldigt werden.

Ein Journalist wurde am Arm verletzt.
Ein Journalist wurde am Arm verletzt.
© REUTERS/Edgar Su

Der Widerstand unter den sieben Millionen Hongkongern ist groß, weil Chinas Justiz nicht unabhängig ist und als Werkzeug der politischen Verfolgung dient. Auch warnen Kritiker vor Folter und Misshandlungen in China. Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam hat den Gesetzentwurf seither ausgesetzt und für „gestorben“ erklärt. Einen formellen Rückzug des Entwurfs, wie von den Demonstranten gefordert, lehnt sie aber ab.

Seit der Rückgabe 1997 an China wird Hongkong unter chinesischer Souveränität autonom in eigenen Grenzen regiert. Anders als die Menschen in der kommunistischen Volksrepublik genießen die Hongkonger das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie Presse- und Versammlungsfreiheit. Immer mehr Hongkonger befürchten aber, dass die Führung in Peking ihnen ihre Rechte beschneiden will. (dpa)

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