zum Hauptinhalt
Absperrband vor dem Haus des verstorbenen Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU).
© Swen Pförtner/dp

LKA prüft strafrechtliche Relevanz: Politiker entsetzt über Hasskommentare zu Lübckes Tod

Der Kasseler CDU-Politiker Walter Lübcke wurde mit einem Schuss in den Kopf getötet. Der Fall löst Entsetzen aus – ebenso wie die Hetze im Internet.

In der Politik herrscht Entsetzen über die rechte Hetze gegen den erschossenen Regierungspräsidenten von Kassel, Walter Lübcke. „Da bleibt einem die Luft weg, das ist abscheulich“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Donnerstag dem Tagesspiegel am Rande eines Sicherheitskongresses in Berlin. „Wenn jemand, nur weil er liberale Ansichten hatte, so mit Hass überzogen wird, ist das der Niedergang der menschlichen Moral.“

Am Mittwoch hatte bereits Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Hassparolen gegen Lübcke in den sozialen Netzwerken als „zynisch, geschmacklos, abscheulich, in jeder Hinsicht widerwärtig“ bezeichnet. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) schrieb bei Twitter, „es ist einfach nur widerlich, wie sich rechte Hetzer über den Tod von Walter Lübcke freuen“.

Ein bislang unbekannter Täter hatte in der Nacht zum vergangenen Sonntag den christdemokratischen Regierungspräsidenten auf dessen Hausterrasse im nordhessischen Wolfhagen mit einem Schuss in den Kopf getötet. Nach den ersten Medienberichten über das Verbrechen tauchten bei YouTube und anderen sozialen Netzwerken niederträchtige Kommentare auf.

Welle des Hasses gegen Lübcke

Sie wuchsen rasch zu einer Welle des Hasses gegen Lübcke, der sich für die Unterbringung von Asylbewerbern eingesetzt hatte und 2015 Flüchtlingsfeinden sagte, sie könnten das Land jederzeit verlassen. „Da hatte wohl einer keinen bock mehr darauf, sich von einem cdu typen verarschen zu lassen“, schrieb jetzt ein Hetzer bei YouTube. Andere beleidigten den Toten als „Drecksau“ und „widerliche Ratte“.

Die Hetze richtet sich auch gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die schon lange wegen ihrer Flüchtlingspolitik von Rechtsextremisten und Rechtspopulisten angefeindet wird. Bei YouTube schrieb ein User „Next Target Merkel“ (Nächstes Ziel Merkel) und fügte ein pistolenartiges Symbol hinzu.

Kommentare werden auf strafrechtliche Relevanz geprüft

Die Kommentare würden auf „strafrechtliche Relevanz geprüft“, sagte am Donnerstag eine Sprecherin des Landeskriminalamts Hessen. Sie bestätigte zudem, dass die Zahl der Ermittler im Fall Lübcke deutlich erhöht wurde. In der „Soko Liemecke“ seien jetzt 50 Beamte aktiv. Zuvor war es 20. Eine heiße Spur gebe es aber noch nicht. „Wir ermitteln weiter in alle Richtungen“, hieß es.

Die Ermittlungsbehörden haben Hetze und Hass im Internet zu lange rechts liegen lassen. [...] Glücklicherweise scheint sich das zu ändern. Wer im Internet Straftaten begeht, der muss auch strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden. 'Der Aufwand ist zu hoch' darf hier kein Argument sein.

schreibt NutzerIn ford_perfect

Sicherheitskreise sagten, es sei zu befürchten, dass Lübcke von einem Rechtsextremisten oder Reichsbürger hingerichtet wurde. Zu hören ist auch, der Fall Lübcke „ist für Hessen die größte Geschichte seit Karry“. Im Mai 1981 hatten mutmaßlich Linksextremisten den damaligen hessischen Wirtschaftsminister Heinz-Herbert Karry in seinem Bungalow in Frankfurt am Main erschossen. Zu dem Mord bekannte sich eine Gruppe namens „Revolutionäre Zellen“. Die Tat wurde allerdings nie aufgeklärt.

Schwierige Ermittlungen

Auch die Ermittlungen im Fall Lübcke sind offenbar schwierig. Ein Sanitäter soll den Fundort der Leiche gesäubert haben, um den Hinterbliebenen den grausigen Anblick zu ersparen. „Damit könnten DNA-Spuren vernichtet worden sein“, sagten Sicherheitskreise.

Unterdessen durchsuchte die Polizei in Berlin und zwölf weiteren Bundesländern Wohnungen von Personen, die im Internet Hasskommentare gepostet haben sollen. Mehrere Verdächtige wurden auch vernommen. Die Großrazzia ist ein vom Bundeskriminalamt koordinierter „Aktionstag zur Bekämpfung von Hasspostings“, der seit drei Jahren im Juni veranstaltet wird.

YouTube will härter gegen Hassvideos vorgehen

Mit dem Fall Lübcke habe das nichts zu tun, sagte eine Sprecherin des BKA, „aber er zeigt, wie wichtig die Durchsuchungen sind“. Das BKA unterstützt zudem die Soko Liemecke bei der kriminaltechnischen Untersuchung des Projektils, mit dem Lübcke erschossen wurde.

YouTube kündigte zudem am Mittwoch an, härter gegen Hassvideos einzuschreiten. Es würde Videos verboten, „die suggerieren, dass eine Gruppe einer anderen überlegen sei, um deren Diskriminierung, Segregation oder ihren Ausschluss zu rechtfertigen“, teilte die Firma mit. Genannt werden ausdrücklich auch Videos, „die Nazi-Ideologie fördern oder verherrlichen“.

Zur Startseite