Pussy Riot in Berlin: Politik statt Punk
Zwei Frauen der Punkband Pussy Riot kamen zum Cinema for Peace in Berlin. Künftig wollen sie sich für politische Gefangene einsetzen. Mit anderen Aktivistinnen in Russland gibt es derweil Streit.
Wenige Minuten lang war das Punk-Gebet in einer Moskauer Kathedrale nur, durch das die Frauen der russischen Band Pussy Riot weltberühmt wurden. Sie verbanden ihren Protest gegen Präsident Wladimir Putin und gegen eine ihm eng verbundene orthodoxe Kirche mit Punk-Musik und Feminismus. Am Montag wurden Nadeschda Tolokonnikowa und Maria Aljochina in Berlin wie Stars empfangen. Dagegen fanden selbst Bianca Jagger und Nelson Mandelas Enkel bei der Pressekonferenz von Cinema for Peace kaum Beachtung. Die schrillen Auftritte, für die besonders Tolokonnikowa vor ihren Zeiten bei Pussy Riot bekannt war, scheinen einer längst vergessenen Vergangenheit anzugehören. Fast zwei Jahre haben die beiden Frauen wegen ihres Punk-Gebets in russischen Straflagern verbracht, bis sie im Dezember nach einer Amnestie freikamen.
„Wir sollten aufhören, das Amnestie zu nennen“, sagt Aljochina. „Damit versuchte Putin nur, sein Image aufzupolieren.“ In Zukunft wollen sich die beiden Frauen für politische Gefangene in Russland einsetzen. Von Deutschland wünschen sie sich in diesem Zusammenhang deutliche Worte. „Sind Sie bereit, für die Wahrheit zu kämpfen, bis zum Ende?“, fragt Tolokonnikowa zu Beginn an Journalisten, Politiker und Bürger in Deutschland gerichtet. Doch derart theatralisch ist nur der Anfang ihres Auftritts. Denn dann berichtet Aljochina von den politischen Gefangenen vom Bolotnaja-Platz, die seit dem 6. Mai 2012 in Haft sind. Damals hatten sie gegen die Rückkehr von Präsident Wladimir Putin in den Kreml demonstriert, die offizielle Amtseinführung war am folgenden Tag. Nun drohen ihnen mehrere Jahre Haft. Die beiden Aktivistinnen kritisieren, dass diese Prozesse im Ausland kaum Beachtung finden. „Wir fordern Sie auf, das Schweigen zu beenden“, sagt Aljochina.
Politischen Gefangenen eine Stimme geben
Über ihre Zeit im Straflager berichten sie und Tolokonnikowa an diesem Tag nur wenig. Das Schlimmste sei das Gefühl der Machtlosigkeit gewesen, „die Unmöglichkeit zu sprechen“. Nun wollen die beiden Frauen anderen in der gleichen Lage helfen und dafür die Organisation „Zone des Rechts“ gründen. „Die Gefängnisverwaltungen sollen wissen, dass sie Gefangene nicht einfach behandeln können, wie sie wollen“, sagt Tolokonnikowa. „Wir möchten denen eine Stimme geben, die ihrer Rechte beraubt sind“, ergänzt Aljochina. „Wenn die Welt erfährt, was hinter den Gefängnismauern in Russland passiert, wird sie es nicht so schnell vergessen.“
Als die Aktivistinnen auf den in einem russischen Gefängnis zu Tode gekommenen Anwalt Sergej Magnitski angesprochen werden, sagt Tolokonnikowa, dessen Fall sei leider „nicht die Ausnahme, sondern die Regel“. Vielen Gefangenen werde eine angemessene medizinische Hilfe verweigert. Seit Magnitskis Tod im Jahr 2009 habe sich in russischen Gefängnissen „nichts geändert“, sagt Tolokonnikowa. Deshalb befürworten die beiden Aktivistinnen, dass die Europäische Union nach dem Vorbild der USA Einreiseverbote gegen russische Beamte erlässt, die für den Tod des Anwalts verantwortlich sein sollen. Magnitski hatte einen riesigen Steuerbetrug aufgedeckt und mehrere russische Beamte direkt beschuldigt.
Bei der Gründung ihrer Organisation sind die beiden Frauen auf Schwierigkeiten gestoßen: Die Zulassung wurde verweigert, außerdem wurden diejenigen unter Druck gesetzt, die mit der Registrierung zu tun hatten. Die Pläne der beiden Aktivistinnen gehen aber viel weiter: Sie schließen nicht aus, in die Politik zu gehen und für das Moskauer Stadtparlament zu kandidieren. „Wir denken, wir sollten das versuchen“, sagt Tolokonnikowa.
Streit bei Pussy Riot
Also künftig Politik statt Punk? Mehrere anonyme Mitglieder von Pussy Riot erklärten vor kurzem in einem offenen Brief, Nadja und Mascha gehörten nicht mehr dazu, weil sie sich nur noch um die Probleme in den Gefängnissen kümmerten und die Ideale von Pussy Riot wie den Feminismus und den Kampf gegen autoritäre Strukturen vergessen hätten. Das will Tolokonnikowa so nicht stehen lassen: „Wir haben Pussy Riot nie verlassen.“ Sie wisse nicht, wer die Verfasserinnen des offenen Briefs seien, „die sich selbst Pussy Riot nennen“. Sie und Aljochina könnten gleich einfach „Skimasken aufsetzen und auf ein Punkkonzert gehen“. Das tun sie am Ende natürlich nicht. In New York standen sie gerade mit Madonna auf der Bühne, in Berlin werden sie am Abend bei der Gala von Cinema for Peace gefeiert.