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Gab es eine Netzwerk-Attacke auf Nordkoreas Internet wegen des Streits um den Film "The Interview"?
© imago

Netzwerk-Attacke auf Nordkorea?: Pjöngjang neuneinhalb Stunden ohne Internet

Nordkorea war für mehrere Stunden vom Internet abgeschnitten. Experten vermuten einen Angriff von außen - nach den Verwirrungen um die Nordkorea-Parodie "The Interview" ein nahe liegender Verdacht.

Die ohnehin störanfälligen Internetverbindungen in Nordkorea sind am Montag offenbar völlig zusammengebrochen. Erst nach neuneinhalb Stunden sei die Verbindung am Dienstag wiederhergestellt worden, teilte das auf Internetsicherheit spezialisierte US-Unternehmen Dyn Research mit. Die Gründe für den Ausfall waren zunächst unklar. Ein Mitarbeiter von Dyn Research vermutete eine Netzwerk-Attacke.
Laut dem Vize-Chef des Unternehmens, Earl Zmijewski, begannen die Störungen bereits am Wochenende. Den Experten von Dyn Research zufolge ist Nordkoreas Internet durchaus anfällig für Pannen - doch könnte die Art des Zusammenbruchs auf einen "Angriff von außen" hindeuten.

Der Großteil der Bevölkerung in Nordkorea hat keinen Internetzugang. Es gibt dort aber ein auf das Land beschränktes, nicht öffentliches Intranet. Nach Angaben nordkoreanischer Flüchtlinge kann das Intranet nur von Regierungsbeamten, dem Militär und Universitäten genutzt werden. 

Einem Bericht des US-Senders NBC zufolge bestritt ein amerikanischer Regierungsvertreter entschieden, dass die Vereinigten Staaten etwas mit dem Ausfall des Internets in Nordkorea zu tun hätten. US-Präsident Barack Obama und die Bundespolizei FBI hatten Nordkorea kürzlich für einen Hacker-Angriff auf das Unternehmen Sony Pictures verantwortlich gemacht. Obama kündigte eine angemessene Antwort an. Der anonyme Angriff und mysteriöse Anschlagsdrohungen auf US-Kinos hatten Sony bewogen, den für kommenden Donnerstag geplanten Filmstart von "The Interview" abzusagen. Dem Konzern entstand dadurch nach Expertenschätzung ein Schaden von einer halben Milliarde Dollar.

Die stellvertretende Sprecherin des US-Außenministeriums, Marie Harf, forderte Nordkorea am Montag auf, Sony zu entschädigen. Die US-Regierung prüft nach Angaben der Sprecherin eine Reihe von Optionen, um gegen die Internet-Attacke auf die Produktionsfirma vorzugehen. Sie äußerte sich aber nicht dazu, ob die USA für den Ausfall des nordkoreanischen Netzes verantwortlich seien. Im Zentrum der Affäre steht eine Gruppe mit dem Namen Guardians of Peace (GOP), die Ende November einen Cyberangriff auf Sony gestartet und interne Dokumente und E-Mails veröffentlicht hatte. Vor einigen Tagen sprach die Gruppe wegen der Parodie "The Interview", in der es um ein angebliches Mordkomplott gegen Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un geht, ominöse Drohungen aus und erinnerte an die Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA. Daraufhin entschieden mehrere Kinoketten, den Film aus dem Programm zu nehmen. Pjöngjang verwahrte es sich gegen Vorwürfe, für den Hacker-Angriff verantwortlich zu sein. Nordkorea hat nur begrenzten Zugang zum Internet. Laut Zmijewski läuft die gesamte Telekommunikation über China Netcom, einer Tochter von China Unicom. "Als Nordkoreas einziger Internetprovider wäre es für China Unicom ein Leichtes, den Zugang zu blockieren", sagte Zmijewski. Washington hatte China um Mithilfe gebeten, um die nordkoreanischen Hacker-Aktivitäten zu stoppen. Beide Länder stehen aber selbst im Streit um Hacker-Angriffe auf US-Unternehmen. Als einziger Verbündeter Pjöngjangs versuchte China unterdessen vergeblich, eine kurzfristig anberaumte Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats zur Menschenrechtslage in Nordkorea zu verhindern. Peking wurde von elf der 15 Ratsmitglieder überstimmt. Es war das erste Mal, dass sich der UN-Sicherheitsrat mit den systematischen Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea befasste. US-Botschafterin Samantha Power sprach sich ebenso wie weitere westliche Vertreter dafür aus, Pjöngjang deshalb vor den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag zu bringen.

Power bezeichnete das stalinistisch regierte Land als "gelebten Albtraum". Auch wenn zunächst keine Entscheidung getroffen wurde, sprach die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch von einem wichtigen Signal. Der Rat der "Führung in Pjöngjang zu verstehen gegeben, dass die seit Jahrzehnten anhaltenden Grausamkeiten gegenüber ihrem Volk enden müssen", sagte HRW-Chef Kenneth Roth.
Experten hatten in einem UN-Untersuchungsbericht vom Februar detailliert das System von Gefangenenlagern mit Folter, standrechtlichen Hinrichtungen und Vergewaltigungen beschrieben. AFP/dpa

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