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Studieren statt Pflegen. Die Betreuung eines demenzkranken Vaters wird beim Bafög nicht anerkannt.
© Frank Rumpenhorst/dpa

Keine Bafög-Verlängerung für Studentin: Pflege des demenzkranken Vaters zählt nicht

Wer länger studieren muss, weil er demenzkranke Angehörige pflegt, erhält keine Bafög-Verlängerung. Die Grünen wollen das ändern.

Studenten können zwar wegen der Pflege eines eigenen Kindes länger Bafög beanspruchen, nicht aber wegen der Pflege eines demenzkranken Elternteils. Mit diesem in der vergangenen Woche veröffentlichten Beschluss des saarländischen Oberverwaltungsgerichts wollen sich die Grünen nicht abfinden.

„Für andere zu sorgen, verdient Unterstützung“, sagte der hochschulpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Kai Gehring, dem Tagesspiegel. Es sei „überfällig, im Bafög die Förderhöchstdauer für Studierende generell anzuheben, wenn sie nahe Angehörige pflegen“. Das Bafög müsse zur Lebensrealität der Studierenden in einer alternden Gesellschaft passen.

Regelmäßig gefüttert, bekocht und zum Arzt gebracht

Zuvor hatte das Oberverwaltungsgericht in Saarlouis die Klage einer Lehramtsstudentin auf Bafög-Verlängerung abgewiesen – und damit ein Urteil der Vorinstanz bestätigt (Az: 2 A 583/17).

Die junge Frau hatte die Förderhöchstdauer nach eigenen Angaben überschritten, weil sie sich zuhause um ihren schwer dement gewordenen Vater kümmern musste. Zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts sei sie aber auf Bafög-Leistungen angewiesen.

Als sie von einem verpflichtenden Auslandsaufenthalt zurückgekehrt sei, habe sie ihr demenzkranker Vater nicht mehr erkennen können, berichtete die Klägerin. Sie habe ihrer Mutter dann an zwei Tagen in der Woche, wenn diese zur Arbeit gegangen sei, bei der Pflege und Betreuung ihres Vaters geholfen. Sie habe ihn angezogen, gefüttert, ihn bis zum Mittagessen beschäftigt, anschließend für ihn gekocht und erneut darauf geachtet, dass er etwas Warmes essen und trinken konnte. Arztbesuche hätten sie gemeinsam erledigt, da ihre Mutter medizinisches Fachdeutsch nur schlecht verstehe.

Gericht: Studentin hätte sich beurlauben lassen müssen

Die Studentin führte einen Passus des Bundesausbildungsförderungsgesetzes ins Feld, wonach ein „schwer wiegender Grund“ eine längere Förderung zulässt. Zudem berief sie sich auf Neuregelungen im Familienpflegezeitgesetz und im Pflegezeitgesetz für Berufstätige. Demnach stehen Arbeitnehmern mehr zeitliche Flexibilität und Sicherheit zu, wenn sie Angehörige pflegen. Aus Gleichbehandlungsgründen müsse dies auch für Studenten gelten, argumentierte die Klägerin.

Das Gericht vertrat dagegen den Standpunkt, dass es der Studentin auch zuzumuten gewesen wäre, sich vom Studium beurlauben zu lassen, um „in einer derartigen Lage Nachteile für die weitere Förderung“ zu vermeiden. In dieser Zeit hätte sie dann aus Richtersicht Leistungen anderer Sozialträger beanspruchen können.

Familienpflegezeit gilt nur für Berufstätige

Ein schwer wiegender Grund für längeren Bafög-Bezug sei in ihrem Fall nicht gegeben, so die Richter. Seit einer Gesetzesänderung im Jahr 1990 könne zwar die Pflege und Erziehung eines Kindes bis zu zehn Jahren eine längere Förderdauer begründen. Die Pflege erkrankter Eltern sei aber in dem Gesetz nicht ausdrücklich als Verlängerungsgrund genannt worden. Es sei deshalb davon auszugehen, dass der Gesetzgeber das nicht gewollt habe.

Auch auf die Vorgaben des Familienpflegezeitgesetzes und des Pflegezeitgesetzes könne sich die Studentin nicht berufen, heißt es in dem OVG-Beschluss. Diese Gesetze sollten nur die Pflegesituation erwerbstätiger Personen und die Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege verbessern. Für Studenten gelte dies nicht.

Grüne fordern neben längerer Förderung auch Teilzeit-Bafög

Die Grünen wollen das nicht hinnehmen. Sie fordern gleich zwei gesetzliche Änderungen für Studenten. Für die Pflege von nahen Angehörigen müsse die Förderhöchstdauer angehoben werden, sagte der Abgeordnete Gehring. Und allen, die aufgrund von Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen, Behinderung oder schwerer chronischer Krankheit kein Vollzeitstudium aufnehmen könnten, sei eine Bafög-Teilzeitförderung zu ermöglichen. Wenn Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) „demnächst endlich ihre überfälligen Eckpunkt für eine Bafög-Novelle präsentieren sollte, gehören diese Punkte dringend hinein.“

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