Neuer Minister im griechischen Kabinett: Pavlos Haikalis: "Merkel ist wie Hitler"
Im neuen Kabinett von Alexis Tsipras ist Pavlos Haikalis von den rechtspopulistischen „Unabhängigen Griechen“ Vize-Minister geworden. In einem Interview mit dem Tagesspiegel vom Februar hatte er Kanzlerin Angela Merkel mit Adolf Hitler verglichen. Hier ist noch einmal der Text.
Pavlos Haikalis kann harte Sätze weich aussprechen. „Merkel ist wie Hitler“, sagt er an diesem Morgen und lächelt freundlich, „er hat unser Land genommen, sie führt einen Wirtschaftskrieg.“ Dabei sitzt er entspannt zurückgelehnt in seinem Sessel in einem Büro im Zentrum von Athen, vor sich eine Tasse Kaffee, draußen scheint die Sonne. Es ist Mittwoch, drei Tage nach der Wahl, die Griechenland eine linksrechte Regierung gebracht hat. Haikalis, gemütlich, rundlich, Halbglatze, ist eines der bekanntesten Gesichter der „Unabhängigen Griechen“. Die rechtspopulistische Partei ist jetzt an der Regierung beteiligt. Eine Partei, die nach eigener Aussage nichts gegen Deutsche hat.
Der 25. Januar 2015 war ein großer Triumph für Haikalis und die anderen „Unabhängigen Griechen“. Er strahlt, wenn er davon erzählt: „In allen Umfragen haben sie uns absichtlich kleingehalten und nun regieren wir!“ Der 65-Jährige ist nicht nur Parlamentsabgeordneter, er ist auch ein bekannter Schauspieler in Griechenland, so etwas wie der griechische Al Bundy. Ein Comedian, der meistens die lustige Vaterfigur spielt und deshalb über alle Parteigrenzen hinweg von den Zuschauern geliebt wird. Das macht ihn in seiner eigenen Partei so einflussreich, auch wenn er selbst kein Regierungsamt übernommen hat. Vielleicht wird er eine wichtige Rolle im Kabinett spielen. Bei den „Unabhängigen Griechen“ ist er von Anfang an engagiert, seit diese sich 2012 aus Protest gegen die Troika-Verträge gegründet haben.
„Wir haben uns zusammengetan, um Griechenland zu retten.“
Gemeinsam mit dem linken Bündnis Syriza zu regieren, war für die Partei von Haikalis von Anfang an das entscheidende Ziel. Daraus haben sie im Wahlkampf kein Geheimnis gemacht, im Gegenteil. Parteichef Panos Kammenos, jetzt Verteidigungsminister, hat seinen Wählern versprochen: wir zeigen Syriza die roten Linien auf. Im Wahlwerbespot erklärt er einem kleinen Jungen, der mit einer Modelleisenbahn spielt, die Analogie zur Politik. Manchmal müsse man schnell fahren, dann wieder langsam, nie das Risiko eingehen, zu entgleisen. Der Witz dabei? Am Ende kommt die Mutter des Jungen ins Bild und ruft ihn: „Alexis!“ Diese Anspielung auf den jüngsten griechischen Premierminister aller Zeiten, Alexis Tsipras, war vor allem online ein Riesenhit.
Im sonnenbeschienenen Büro von Haikalis klingt das alles sehr fröhlich und nett, was er und seine Parteikollegen im Wahlkampf so veranstaltet haben. Aber was genau sind die roten Linien, die die rechte Partei mit 13 Sitzen im Parlament den Linken mit 149 Sitzen aufzeigen will? Haikalis zählt auf: Eine strikte Einwanderungspolitik, eine konservative Familienpolitik, keine Einschränkung der orthodoxen Kirche und kein Nachgeben im Namensstreit mit Mazedonien. Gerade bei den heiklen Themen wird der freundliche Mann ganz technisch, malt Zahlen und Prozentsätze auf, die Griechenland an Einwanderern „aushalten“ könne und die weit unter den bisherigen liegen. Gerne redet er darüber aber nicht. Zumindest nicht mit Journalisten. Entscheidend sei doch: „Wir haben uns zusammengetan, um Griechenland zu retten.“
„Wir“, also die Unabhängigen Griechen und Syriza, sind sich einig darin, die Schuldenpolitik und die Sparmaßnahmen der Vorgängerregierung neu zu verhandeln. Diese Gemeinsamkeit hat wohl auch für Syriza den Ausschlag gegeben, sich nicht für die zentral-links verortete Potami-Partei als Koalitionspartner zu entscheiden. Viele ihrer Anhänger halten deren wirtschaftsliberalen Ansatz nicht für vertrauenswürdig. Haikalis dagegen hat auch persönlich bei vielen Syriza-Wählern gepunktet, weil er vor den letztendlich gescheiterten Präsidentschaftswahlen einen mutmaßlichen Bestechungsversuch durch Handlanger der Regierungspartei angezeigt hat. Oder wie Haikalis es ausdrückt: „Es geht nicht mehr um links oder rechts, es geht um pro oder contra Austerität und Korruption.“
Die Partei fordert Reparationszahlungen von Deutschland
Die deutsche Regierung – nicht das deutsche Volk, das betont Haikalis mehrfach – spielt in diesem Kampf eine besondere Rolle. Die Unabhängigen Griechen fordern – auch darin sind sie sich mit ihrem Koalitionspartner einig – Reparationszahlungen von Deutschland und die Rückzahlung eines Zwangskredits, den Griechenland Nazideutschland geben musste. Dies sei nie vergoltenes Unrecht und eine klare Linie, die sich von damals bis heute durchziehe. Und dann kommt wieder so ein Satz: „Merkel will aus Europa eine deutsche Kolonie machen. Das hat nichts mehr mit der europäischen Idee zu tun.“
Solche Vorwürfe mögen für Deutschland extrem klingen, in Griechenland sind sie Alltag. Die Wut auf die Sparmaßnahmen und Sozialkürzungen, die zum Großteil der deutschen Regierung zugeschreiben werden, ist riesig. Die Wähler der Unabhängigen Griechen sind vor allem enttäuschte Anhänger der Nea Dimokratia-Partei von Ex-Regierungschef Adonis Samaras, die nicht links wählen wollen, aber die zu gemäßigt sind, um für die faschistische Gruppierung „Golden Dawn“ zu stimmen. Oder wie Haikalis es in seinen weichharten Sätzen sagt: „Wir sind demokratisch aber haben einen patriotischen Glauben.“
In Griechenland selbst wurden die Unabhängigen Griechen vor der Wahl von den griechschen Medien weniger als rechtspopulistisch attackiert, sondern vielmehr als religionsfanatische Spinner abgetan. Ihr Spitzname in der Bevölkerung ist „Die Sprüher“, weil einige ihrer Mitglieder sich öffentlich zur sogenannten „Chemtrails“-Theorie bekannt haben. Diese Verschwörungstheorie besagt, dass Menschen regelmäßig von Flugzeugen mit Chemikalien besprüht werden, um sie gefügig zu machen. Dieses Image, so unberechtigt es auch sein mag, klebt an der Partei wie Kaugummi.
Dass Tsipras durchaus weiß, auf welche Partei und welches Risiko in der Außenwirkung er sich eingelassen hat, dafür steht ein aktuelles Gerücht aus Syriza-Kreisen. Angeblich war seitens der Unabhängigen Griechen der Politiker Nikos Nikolopoulos für ein Regierungsamt vorgesehen gewesen. Der allerdings hatte vor einiger Zeit einen Skandal ausgelöst, in dem er den amtierenden luxemburgischen Premierminister im Kurznachrichtendienst als „Schwuchtel“ beschimpfte. Tsipras soll ein Veto gegen ihn eingelegt haben. Bei den Unabhängigen Griechen wird dieses Gerücht weder bestätigt noch dementiert.
Wie es aber klingen kann, wenn Mitglieder im Umgang mit den Medien nicht so gut geschult sind wie Haikalis, zeigt sich bei einem ein Besuch in der Parteizentrale an der Syngrou Straße, nur wenige Häuser entfernt vom Nea Dimokratia-Hauptsitz. Am Dienstagnachmittag ist das mehrstöckige Gebäude wie ausgestorben, wer kann, schaut die Vereidigung der neuen Minister im Fernsehen oder ist selbst im Parlament. Ein Mann aber, ein Kandidat für einen ländlichen Wahlkreis, der es nicht ins Parlament geschafft hat und in diesem Moment zufällig auf den Flur tritt, redet gern über seine Partei. Er gehört ihr zwar erst seit wenigen Wochen an, aber im Wahlkampf habe er alles für sie gegeben, sagt er. Während er von seiner Partei schwärmt, fallen auch Sätze, die gar nicht mehr weich klingen: „Griechenland den Griechen“, nennt er ohne zu Zögern als ein Hauptziel der Partei.
Was passiert, wenn man den Schauspieler Haikalis nach extremen Tendenzen von Mitgliedern befragt? Er lächelt warm und drückt zum Abschied fest die Hand. „Wir haben als Partei weder ein Problem mit Homophobie noch mit Ausländerhass. Privat kann jeder denken was er will.“