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Beata Szydlo, Polen Regierungschefin.
© dpa
Update

Polen: Parlament in Warschau bäumt sich gegen die EU auf

Die EU-Kommission hat Polen bis Montag eine Frist im Streit um das Verfassungsgericht gesetzt. Das polnische Parlament reagiert darauf aggressiv.

Nicht die polnische Regierungspartei PiS, sondern die Europäische Kommission gefährde Demokratie und Rechtstaat in Polen. Dies stellt der neuste Parlamentsbeschluss in Warschau fest. Der Beschluss über die „Verteidigung der Souveränität“ wurde am späten Freitagabend von der absoluten Mehrheit der Kaczynski-Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) sowie der rechtspopulistischen Formation „Kukiz 15“ angenommen. Die liberale Opposition kritisierte den Beschluss als antieuropäisch und absurd, und nahm deswegen nicht an der Abstimmung teil.

Der Beschluss fordert die Regierung auf, in Zukunft alles zu unternehmen, um die Souveränität Polens auch gegen die Forderungen der EU-Kommission wie die Wiederherstellung eines funktionierenden Verfassungsgerichts oder die Flüchtlingsumverteilung zu verteidigen. Die polnische Regierungschefin Beata Szydlo hatte in einer passionierten Rede für den Beschluss geworben und dabei implizit selbst Vergleiche zwischen Brüssel und Hitlerdeutschland nicht gescheut. PiS-Politiker verglichen ihre Rede übers Wochenende lobend mit einem antifaschistischen Auftritt des polnischen Außenministers von 1939.

Die PiS bereitet Polen damit auf den für heute, Montag, erwarteten Bericht der EU-Kommission über die Rechtstaatlichkeit vor. EU-Vizekommissar Frans Timmermans hatte Warschau ein Ultimatum gestellt. Wenn im Streit um das Verfassungsgericht bis Montag keine Einigung erzielt werde, würde er seinen Bericht veröffentlichen, droht er. Ein an die polnische Zeitung „Rzeczpospolita“ durchgesickerter Entwurf enthält eine scharfe Ermahnung der Kaczynski-Regierung. Die Blockade des Verfassungsgerichts gefährde die Rechtstaatlichkeit, heißt es da. Und weiter: Demokratische Standards würden in Polen nicht mehr garantiert.

Die EU droht Polen mit Sanktionen

Warschau hätte nach dieser Warnung zwei Wochen Zeit für eine Reaktion. Nächste Stufe wäre dann eine Empfehlung der Kommission, die beanstandeten Mängel abzustellen. Erfolgt auch das nicht, könnte die EU Strafmaßnahmen gegen Polen bis hin zur Entziehung des Stimmrechts im EU-Ministerrat verhängen. Der Entwurf ist in Warschau wie eine Bombe eingeschlagen, hatte die PiS-Regierung doch gehofft, Flüchtlingskrise und die kommende Brexit-Abstimmung würden das im Januar eingeleitete Rechtstaatsverfahren der Europäischen Kommission im Sande verlaufen lassen. Erst im letzten Moment hätte Szydlo der EU Anfang Woche überstürzt doch einen Kompromiss angeboten, will „Rzeczpospolita“ erfahren haben. Demnach sollen drei unter der Vorgängerregierung gewählte Verfassungsrichter doch noch von Staatspräsident Andrzej Duda (PiS) vereidigt werden, die bisherigen Urteile des alten Verfassungsgerichts, das die PiS seit Neujahr nicht mehr anerkennt, publiziert werden.

Auch in Brüssel weiß man, dass Premierministerin Szydlo nicht viel zu sagen hat und Polens Politik allein von Parteichef Jaroslaw Kaczynski gemacht wird. In Warschau wurde am Wochenende darüber diskutiert, ob die Tage Szydlos damit gezählt sind. Nur wenige können glauben, dass Kaczynski ein derart großes Entgegenkommen im Streit um das Verfassungsgericht abgesegnet hat.

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