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Politik: Palästinenser bei Razzia getötet

Blutiger Einsatz in Flüchtlingslager.

Tel Aviv - Die Palästinenser haben die nächste Runde der Friedensverhandlungen mit Israel abgesagt, nachdem es am Montagmorgen bei einem Einsatz von israelischen Soldaten und Grenzpolizisten im Flüchtlingslager Kalandija nördlich von Jerusalem drei Tote und etwa 20 Verletzte gegeben hat. Die Nachrichtenagentur AFP meldete den Tod der drei Palästinenser unter Berufung auf anonyme politische Kreise in Ramallah, doch weder von den Palästinensern noch von den Israelis gab es dafür eine offizielle Bestätigung. Die Friedensverhandlungen sollten nach palästinensischen Angaben eigentlich am Montagabend in Jericho fortgesetzt werden. Dagegen sagte die amerikanische Vize-Außenamtssprecherin Marie Harf in Washington, kein einziges Treffen sei annulliert worden. Offen blieb, ob verhandelt wurde – oder ob gar kein Treffen anberaumt worden war.

Bei dem Zwischenfall in dem Flüchtlingslager bei Ramallah wurden die Soldaten und Grenzpolizisten von mehreren hundert Menschen mit Steinen und anderen schweren Wurfgeschossen angegriffen, als sie einen Terrorverdächtigen festnehmen wollten. Die Soldaten in ihren Jeeps wurden während der Razzia von der Menge am Weiterfahren gehindert; nach den Angaben eines israelischen Armeesprechers wähnten sie sich in Lebensgefahr und eröffneten das Feuer. Es war der zweite Zwischenfall bei einer Festnahme innerhalb einer Woche, bei dem es zu Zusammenstößen kam.

Während von israelischer Seite erwartungsgemäß erklärt wurde, die Angelegenheit werde untersucht, verurteilten die Palästinenser den israelischen Einsatz scharf. Präsidentensprecher Nabil Abu Rudeinah, Ministerpräsident Rami Hamdallah und das prominente PLO-Exekutivmitglied Hanan Ashrawi forderten insbesondere die USA auf, „den israelischen Verbrechen Einhalt zu gebieten“. Sie verlangten von den Vereinten Nationen und der internationalen Gemeinschaft Schutz für die palästinensische Zivilbevölkerung. Die Tötung der drei Palästinenser stelle einen erneuten Beweis für Israels Unwillen zu Verhandlungen dar, erklärten sie.

Die erst vorletzte Woche praktisch wiederaufgenommenen, vom US-Außenminister John Kerry initiierten direkten Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern sollen innerhalb von neun Monaten mit einem Abkommen abgeschlossen werden. Doch niemand in der Krisenregion hält Kerrys Vorgabe für realistisch. Das liegt daran, dass bereits zu Beginn der eigentlichen Gespräche in Israel neue Ausbaupläne für Siedlungen im Westjordanland und im annektierten Ost-Jerusalem offiziell verkündet wurden. Die Pläne werden allesamt von der internationalen Gemeinschaft als illegal und als Friedenshindernis gewertet.

Israels ultranationalistischer Wohnbauminister Uri Ariel, ein militanter Siedlerführer, weihte am Montag eine neue Siedlung ein. Zuvor hatte noch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu der US-Regierung versprochen, keine neuen Siedlungen während der Verhandlungen zu errichten.

Noch immer sind keinerlei Details der geheimen Verhandlungsrunden bekannt geworden. Doch in der Praxis wurden insbesondere auf dem Sicherheitssektor erste Fortschritte gemacht. So kündigten Polizeioffiziere beider Seiten gemeinsame Patrouillen im Westjordanland im Rahmen einer weitergehenden Kooperation innerhalb eines Monats an. Ob diese Fortschritte im praktischen Bereich direkt mit den Friedensverhandlungen zusammenhängen, ist allerdings eine offene Frage. Charles A. Landsmann

Charles A. Landsmann

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