Nach Eklat um Erdogan-Foto: Özil verteidigt seine Haltung und tritt zurück
Der deutsche Nationalspieler Mesut Özil bricht sein wochenlanges Schweigen und greift Medien, Sponsoren und den DFB an. Auf Facebook und auf Englisch.
Am 10. August beginnt in England die Premier League, am 24. August in Deutschland die Bundesliga – aber bis dahin werden die große Fußballgemeinde und mit ihr die Politik nicht zur Ruhe gekommen sein. Jedenfalls nicht die Diskussionen darüber, welche Konsequenzen politisch wirkende Statements von Fußballern haben können. Wieder, und jetzt erst recht, geht es um den deutschen Nationalspieler in Diensten des englischen Spitzenklubs FC Arsenal, Mesut Özil. Der 29-Jährige hat sich nach monatelangem Schweigen zu seinem umstrittenen Foto mit dem ebenfalls umstrittenen Staatspräsidenten der Türkei, Recep Tayyip Erdogan, geäußert.
Özil tut es auf Twitter und Facebook und auf Englisch, mit umfänglicher Erklärung, mit sehr harten Vorwürfen an die Adresse der Medien, der Sponsoren und des DFB - und mit seinem zumindest vorläufigen Rücktritt aus der Nationalmannschaft.
Für den macht der 92-malige Internationale vor allem DFB-Präsident Reinhard Grindel verantwortlich. Özil greift ihn persönlich an. Für Grindel sei er Deutscher nur, wenn die deutsche Mannschaft gewinne, aber Immigrant, wenn sie verliere. Grindel hat sich aus Özils Sicht nicht für die Gründe und Hintergründe interessiert, für seine Herkunft, sondern vorrangig für seine eigene politische Agenda. Anders dagegen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei ihrem Treffen, wie Özil betont. Grindel sei empört gewesen, dass er nicht dabei sein und der DFB nicht die erste Pressemitteilung veröffentlichen konnte.
Seinen Rücktritt erklärt Özil nun explizit damit, dass er nicht mehr für Deutschland spielen werde, „solange ich dieses Gefühl von Rassismus und Respektlosigkeit verspüre“. Und zu Grindel meint er, er werde „nicht länger als Sündenbock dienen für seine Unfähigkeit, seinen Job ordentlich zu erledigen“. In seiner zeitlich ersten Veröffentlichung hatte Özil ausführlich seine Haltung erläutert, wie von Grindel „auch in seinem eigenen Interesse“ angemahnt. Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete hatte vor zwei Wochen im „Kicker“ erklärt, viele Fans seien „enttäuscht, weil sie Fragen haben und eine Antwort erwarten“. Und das, wie der DFB-Präsident betonte, „zu Recht“.
"Zwei Herzen"
Özil leitet seine Haltung zum Foto mit Erdogan von Herkunft und Erziehung her. Er habe „zwei Herzen, ein deutsches und ein türkisches“. Seine Mutter habe ihn Werte und Respekt gelehrt, und über die Werte denke er bis heute nach. Özil betont, er folge den Werten seiner Mutter, niemals Herkunft, Erbe und familiäre Traditionen zu vergessen. Die Ablehnung eines Treffens mit Erdogan wäre für ihn deshalb „respektlos gegenüber den Wurzeln meiner Vorfahren gewesen, die mit Sicherheit stolz darüber gewesen wären, wo ich heute bin“. Politisch habe er keine Absichten verfolgt: „Für mich hat es keine Rolle gespielt, wer der Präsident war, sondern dass es der Präsident war.“ Was auch immer das Ergebnis der letzten Wahl in der Türkei gewesen wäre, oder der Wahl davor, „ich hätte das Bild trotzdem gemacht“. Özil stellt außerdem fest: „Ob es der türkische oder der deutsche Präsident gewesen wäre, meine Handlungen wären nicht anders gewesen.“
Die Haltung ist deutlich – Özils tiefe Enttäuschung auch. Er fühlt sich erklärtermaßen in den folgenden Teilen seiner Veröffentlichung auf Facebook mit zweierlei Maß gemessen. Dazu verweist er auf Lothar Matthäus, der sich mit Russlands Präsident Wladimir Putin traf; auf Sponsoren, die nicht mehr mit ihm hätten werben wollen, dabei aber auch eigene Probleme hätten; auf seine Schule in Gelsenkirchen, bei der er ein Integrationsprojekt sponsert, und die ihn dennoch quasi ausgeladen hatte; auf die Doppelmoral der Medien, die ihn für die Pleite des Teams verantwortlich machten, die deutsche Nation gegen ihn aufbrächten und zugleich nichts über sein Engagement für lebensrettende Operationen an Kindern in Russland berichteten. „Ganz ehrlich, das tat wirklich weh“, schreibt Özil und fragt: „Was hat der DFB zu all dem zu sagen?“ Was er zu sagen hat, weiß der DFB jetzt.