Machtkampf bei den Grünen: Özdemirs Kandidatur ist ein Risiko – auch für die Partei
Im Kampf um die Fraktionsspitze fehlt Cem Özdemir der Rückhalt. Gewinnt er aber, ist er für höhere Aufgaben im Spiel. Ein Kommentar.
Cem Özdemir ist immer noch einer der besten Redner, den die Grünen haben. Einer, der das klare Wort gegen die AfD nicht scheut.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass viele in der Fraktion unzufrieden sind mit der Performance der Fraktionschefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter, sie verblassen hinter dem Glanz des Duos an der Parteispitze Annalena Baerbock und Robert Habeck. Özdemir wiederum wäre bei Jamaika womöglich Außenminister geworden, der Posten des Verkehrsausschuss-Vorsitzenden ist für ihn kein ausfüllender.
Dass er jetzt den offenen Machtkampf wagt, ohne Rückendeckung der Führung, zeigt dreierlei: Erstens geht es mit Blick auf die wacklige große Koalition bei den Grünen längst um das Positionieren für die Zeit danach – und Özdemir ist sicher ministrabel.
Zweitens aber hat er längst nicht mehr das interne Standing wie noch zu seiner Zeit als Parteichef und Spitzenkandidat: Nach Angaben aus der Fraktion hat er sich bei der Suche nach einer Doppelspitzenpartnerin gleich mehrere Absagen eingeholt. Kirsten Kappert-Gonther ist vielen in der Fraktion bisher nicht besonders aufgefallen.
Die Kandidatur könnte belebend wirken
Drittens birgt die Kandidatur nicht nur für Özdemir ein Risiko, sondern auch für die Machtbalance der Grünen. Klar, die Kandidatur kann belebend wirken.
Doch die große Frage ist, ob der linke Flügel versucht, den Realo zu verhindern – oder ob nach der Parteispitze plötzlich auch die Fraktion von zwei Realos geführt wird? Wenn sich nämlich Göring-Eckardt gegen Kappert-Gonther und dann Özdemir gegen den linken Hofreiter durchsetzt. Klar ist: ein erstarkter Özdemir könnte Baerbock/Habeck das Leben schwerer machen.