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Bei der Arbeit. Ein OSZE-Mitarbeiter macht Videoaufnahmen.
© AFP

Waffenstillstand in der Ostukraine: OSZE: „Wir brauchen Zugang“

Der Vize-Chef der OSZE-Beobachter in der Ostukraine, Alexander Hug, spricht über den Waffenabzug der Kriegsparteien.

Herr Hug, wie ist derzeit die Lage in der Ostukraine? Kann man tatsächlich von einem Waffenstillstand sprechen?

Der Waffenstillstand hält auf weiten Strecken der 500 Kilometer langen Kontaktlinie. Östlich von Mariupol, in der Stadt Schirokine, und am Flughafen Donezk registriert die Mission immer noch jeden Tag Zwischenfälle. In beiden Gebieten gibt es heftige Kämpfe zwischen den ukrainischen Streitkräften und den Rebellen.

Kommt der Abzug schwerer Waffen voran?
Beide Seiten bewegen ihre Waffen weg von der Kontaktlinie in Richtung der Abzugslinien. Wir haben diverse solche Bewegungen begleitet, beobachtet und dokumentiert. Wir besuchten auch sogenannte Konzentrationspunkte, wo die Waffen gelagert werden. Von beiden Seiten haben wir eine Übersicht über die Bestände der Waffen angefordert. Diese haben wir aber nicht bekommen und müssen sie nun selbst erstellen. Das größte Problem ist aber der Zugang zu den Rückzugsgebieten. Durch beide Seiten wird uns der Zugang erschwert oder unmöglich gemacht. Deshalb sind wir in unserer Bewegungsfreiheit eingeschränkt.

Wie sieht das in der Praxis aus?
Wenn wir an einem Checkpoint vorfahren, sagt uns die jeweilige Besatzung, dass uns die Weiterfahrt nicht erlaubt ist. Das passiert oft unter Waffenbedrohung. Unsere Mission ist unbewaffnet, wir sind dann gezwungen, umzukehren. Auf der anderen Seite wird der Zugang durch aktive Kämpfe verhindert.

Alexander Hug.
Alexander Hug.
© dpa

Welche Folgen hat das?
Die Einschränkung unserer Bewegungsfreiheit könnte mit technologischen Hilfsmitteln überbrückt werden. Wir haben unsere Drohnen im Einsatz, die diese Gebiete überfliegen. Sie können natürlich nicht in Fabrikgebäude oder Minenschächte hineinschauen. Dazu benötigt man eine Patrouille vor Ort. Der Zugang wird auch aus Sicherheitsgründen verweigert. Uns wird dann gesagt, dass wir nicht weitergehen können, weil es zu gefährlich sei. Die Konfliktparteien müssen diese Gefahren aus dem Weg räumen, so dass uns der Zugang sicher und ohne Konditionen gewährt wird. Vor allem im Rebellengebiet sind wir nur nach Absprache unterwegs. Das beeinträchtigt natürlich die Objektivität unserer Berichterstattung in diesem Gebiet sehr stark.

Die Zahl der Beobachter in der Ostukraine soll nun auf 1000 erhöht werden. Reicht das aus Ihrer Sicht?

Wir haben derzeit mehr als 320 Beobachter im Osten der Ukraine stationiert, bis Ende dieses Monats sollen es 350 sein. Aber ohne den Zugang machen 1000 oder auch 4000 Beobachter mehr nicht den Unterschied, weil sie dann alle blockiert werden. Wir brauchen von den Parteien erst den Zugang und natürlich das Einstellen des Feuers. Wenn der Zugang gewährleistet ist, können wir nach Bedarf die Mission vergrößern.

Welche Unterstützung brauchen die Beobachter noch von den OSZE-Staaten?
Wir führen derzeit Gespräche mit Teilnehmerstaaten über Satellitenbilder, die wir in einer ersten Phase zur Planung unserer Patrouillen benutzen können und hoffentlich später auch für die Berichte selbst. Die Satellitenbilder benötigen wir sofort. Auf mittlere und längere Sicht brauchen wir auch noch Minenexperten sowie Waffenspezialisten, die uns mit der Zählung der Waffen unterstützen. Und natürlich benötigen wir finanzielle und personelle Unterstützung.

Kann die OSZE-Mission mittlerweile auch Aussagen darüber treffen, ob noch Kämpfer und Waffen über die Grenze aus Russland kommen – oder ist das angesichts der Bedingungen gar nicht möglich?
Der Zugang zur Grenze ist schwierig. Wir haben in dieser Woche Panzerraupenspuren über die Grenze gesehen, die relativ frisch waren. Es gibt also Anzeichen dafür, dass noch grenzüberschreitender Verkehr existiert. Die direkte Observation solcher Bewegungen haben wir nicht gemacht, entsprechend können wir auch nicht darüber berichten.

Alexander Hug ist seit April 2014 stellvertretender Leiter der OSZE-Beobachtermission im Osten der Ukraine. Der Schweizer Anwalt und Offizier war schon für die OSZE im Kosovo. Die Fragen stellte Claudia von Salzen.

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