Ostukraine: OSZE-Beobachter berichten über neue Kämpfe
In der Ostukraine wird der Waffenstillstand von beiden Konfliktparteien immer wieder gebrochen. So waren auch die Erwartungen an das Außenministertreffen am Montagabend in Berlin zur Lage in der Konfliktregion gedämpft
Auf ein ruhiges orthodoxes Osterfest hatten die Einwohner der Ostukraine gehofft. Dort wurde wie in Russland am vergangenen Sonntag gefeiert. Doch diese Hoffnung war für die Menschen in der Stadt Donezk vergeblich. Als Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit am Sonntagmorgen am Bahnhof der ostukrainischen Stadt eintrafen, wurden sie Zeugen neuer schwerer Kämpfe zwischen den Separatisten und der ukrainischen Armee in den Außenbezirken und dem Umland. Bis zum frühen Nachmittag zählten die Beobachter 1166 Explosionen, die vor allem durch Artilleriegeschosse und Mörsergranaten verursacht wurden.
Die Geschosse seien aus vier von den Separatisten kontrollierten Bezirken und einem von den Regierungstruppen gehaltenen Gebiet abgefeuert worden, alle liegen nicht weit vom Flughafen Donezk, der schon on der Vergangenheit stark umkämpft war. Zuvor habe es von ukrainischer Seite, von einem Freiwilligenbataillion des „Rechten Sektors“, einem Sammelbecken für Rechtsextreme und Ultranationalisten, einen Vorstoß nordwestlich der Stadt Donezk gegeben, berichteten die Beobachter unter Berufung auf Angaben eines ukrainischen und eines russischen Vertreters in einem gemeinsamen Kontrollzentrum. Neue Kämpfe gab es auch in dem östlich von Mariupol gelegenen Dorf Schirokine. Nach Angaben der internationalen Experten wurden im Westen des Ortes Stellungen der ukrainischen Armee mit Mörsergranaten angegriffen, abgefeuert wurden diese aus dem von Separatisten kontrollierten Gebiet.
Die Beobachter konnten selbst nicht bis nach Schirokine gelangen, weil ihnen die Separatisten erneut den Zugang verweigerten. Bei einem früheren Besuch in dem Ort hatten die Experten festgestellt, dass viele Häuser durch die Kämpfe komplett zerstört sind.
Die Berichte der OSZE zeigen, wie es um den Friedensprozess in der Ostukraine bestellt ist. Der Chef der Beobachtermission, der türkische OSZE-Botschafter Ertugrul Apakan, zeigte sich betroffen angesichts der neu aufgeflammten Kämpfe in Schirokine sowie in und um Donezk. „Ich fordere alle Seiten einmal mehr auf, maximale Zurückhaltung zu zeigen und die Verpflichtungen zu achten, die in den Minsker Vereinbarungen enthalten sind“, erklärte Apakan noch am Sonntagabend. „Wir hoffen natürlich auf eine dauerhafte und umfassende Waffenruhe, die der Spirale der Gewalt ein Ende macht, welche schon so viele Leben und so viel Infrastruktur zerstört hat.“
Zwei Monate nach der langen Verhandlungsnacht von Minsk, in der Deutschland, die Ukraine, Russland und Frankreich mühsam einen Kompromiss aushandelten, steht die Umsetzung des von der Ukraine und den Separatisten unterzeichneten Papiers noch am Anfang. Die Waffenruhe hält zwar an großen Abschnitten der früheren Frontlinie, wird aber an strategisch wichtigen Orten immer wieder durchbrochen. Der Abzug schwerer Waffen, ein weiterer zentraler Punkt der Vereinbarungen von Minsk, hat bereits begonnen. Doch die Ereignisse vom Wochenende zeigen, dass auch diese Vereinbarung an strategischen Punkten nicht eingehalten wird: Die OSZE-Beobachter berichteten, dass bei den Kämpfen um Donezk beide Seiten Waffen mit einem Kaliber von mehr als 100 Millimetern einsetzten. Solches Kriegsgerät hätte aber gemäß der Vereinbarung von Minsk aus einer Pufferzone abgezogen werden müssen.
Steinmeier zum Auftakt des Treffens: Es ist zu früh, Entwarnung zu geben
Vor diesem Hintergrund kamen am Montagabend die Außenminister der vier Staaten, die schon in Minsk am Verhandlungstisch vertreten waren, in Berlin zusammen. Frank-Walter Steinmeier empfing in der Villa Borsig seine Amtskollegen aus der Ukraine, aus Russland und Frankreich. "Es ist noch zu früh, Entwarnung zu geben", sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zum Auftakt des Treffens. In den acht Wochen seit der Unterzeichnung des Minsker Abkommens sei es "zweifellos zu einer gewissen Beruhigung" gekommen, sagte Steinmeier weiter. "An zwei bis drei Punkten" werde die Waffenruhe aber weiterhin nicht eingehalten. Auch sei die Minsker Vereinbarung "viel mehr als ein Waffenstillstand". Daher solle es bei diesem Treffen vor allem darum gehen, "auch den politischen Prozess einzuleiten". Konkret nannte Steinmeier die Vorbereitung von Wahlen in der Ostukraine. Dazu lägen auch Vorschläge auf dem Tisch, Voraussetzungen seien aber eine Verbesserung der Sicherheitslage und der humanitären Versorgung der Bevölkerung im Konfliktgebiet. "Wie schaffen wir die Bedingungen für Wahlen", werde an diesem Abend ein zentrales Thema sein. Aber auch der Austausch von Gefangenen zwischen den Konfliktparteien sei nach anfänglichen Erfolgen wieder ins Stocken geraten. An dem Treffen nahmen neben Steinmeier der russische Außenminister Sergej Lawrow, sein ukrainischer Kollege Pawlo Klimkin und Frankreichs Außenminister Laurent Fabius teil.
Die Krisengespräche zum Konflikt in der Ukraine gehen auch an diesem Dienstag weiter: Beim Treffen der G-7-Außenminister in Lübeck steht das Thema ebenfalls ganz oben auf der Tagesordnung.
Der Krieg in der Ostukraine begann bereits vor einem Jahr. Am 14. April 2014 schickte die Ukraine ihre Armee in den Osten des Landes, um gegen die von Russland unterstützten und teilweise direkt gelenkten Separatisten zu kämpfen. Erklärtes Ziel der Führung in Kiew war es, ein Szenario wie zuvor auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim zu vermeiden. In dem Krieg in der Ostukraine starben bisher mehr als 6000 Menschen. (mit AFP)