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Die Grenze zwischen Österreich und Italien am Brenner.
© dpa

Flüchtlinge am Alpen-Übergang: Österreich will Militär am Brenner einsetzen

Nach der Schließung der Balkanroute wollen viele Flüchtlinge über den Brenner die Grenze zwischen Österreich und Italien passieren. Der Verteidigungsminister will Militär einsetzen.

Nach der von Österreich ausgehenden Schließung der Balkanroute verlagert sich der Andrang der Migranten nach Italien – und damit zum Brenner. Der wichtigste Alpen-Übergang wird so für Flüchtlinge und Migranten zum möglichen Tor Richtung Norden. Im ersten Quartal kamen 18.234 in Italien an, die meisten von Libyen aus über das Mittelmeer. Das waren 80 Prozent mehr als im ersten Quartal 2015, die meisten kamen laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen aus afrikanischen Ländern. Die Regierung in Rom rechnet für heuer mit 270.000 Ankommenden.
Auf diese Situation bereitet sich die österreichische Regierung intensiv vor, seit sie im Januar eine Obergrenze für Asylbewerber im eigenen Land festgelegt hat und nur diese nach Deutschland durchlässt. Nachdem in der Folge auch Mazedonien seine Grenze für Flüchtlinge und Migranten schloss, sind die Ankünfte zuletzt auf wenige hundert pro Woche zurück gegangen. Trotzdem sollen sie noch weiter reduziert werden: Von den 37.500 neu akzeptierten Asylsuchenden in diesem Jahr ist mehr als die Hälfte schon im Lande.

Am Mittwoch hat die Regierung in Wien daher eine weitere Verschärfung der Asylregeln beschlossen: Ab Mai sollen alle Anträge ausschließlich an den Grenzen und innerhalb nur einer Stunde entschieden werden, inklusive Berufungsinstanz. Als einziger Grund für die Annahme eines Antrags gilt dann praktisch allein der Aufenthalt engster Familienmitglieder in Österreich. Der sei „in Minuten über das Melderegister feststellbar“, so der höchste zuständige Beamte des Innenministeriums. Alle anderen werden abgewiesen, da sie ausschließlich aus „sicheren Drittländern“ der Schengen Zone ankommen, von denen Österreich umgeben ist.

Das Hauptproblem liegt in der Überwachung der Grenze

Dort müssen sie laut der Dublin-Regeln registriert und aufgenommen werden. Wien hat sich für dieses Vorgehen juristisch gewappnet. Zwar könne keine Obergrenze ins Gesetz geschrieben werden, doch gebe das EU-Recht genügend Möglichkeiten zur Verschärfung, meinen die beiden österreichischen Rechtsgutachter. Dieser Ansicht widersprechen aber die Hilfsorganisationen. Das Hauptproblem liegt ohnehin in der Überwachung der Grenze. Vor allem am Brenner, wo Autobahn, Bundesstraße und Eisenbahn doppelt so viel Verkehr aufnehmen wie alle Schweizer Alpenübergänge zusammen. 2015 überquerten allein 2,1 Millionen Fernlaster den Alpenpass, 83 Prozent davon waren Transitverkehr.

Wie effizient oder behindernd dessen Kontrolle ausfallen wird, ist offen. Die Bauarbeiten für die Container für die Beamten und den Grenzzaun am Brenner sind im Gange. Sorgen, vor allem aus Südtirol, dass es durch die Kontrollen zu einem Dauer-Rückstau auf dessen Seite kommen könnte, versucht Österreich zu zerstreuen: „Im Gegensatz zu Bayern werden wir vier Spuren zur Verfügung haben. Natürlich wird es Behinderungen geben, aber keinen Stop-and-go-Verkehr wie an der Grenze vor Kiefersfelden“, so die Polizeidirektion von Tirol. Derzeit werden 20 bis 50 Migranten pro Tag auf der Route aufgegriffen, doch so wird es nicht bleiben. Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) denkt daher über den Einsatz des Bundesheeres auch am Brenner nach. Am Freitag forderte er eine „zivil-militärische Mission“ der Europäischen Union. „Es muss ein Ende der akademischen Debatten geben." Die EU-Grenzschutzagentur Frontex sei “überfordert, unterbesetzt und hat Berührungsängste mit dem Militär. Es darf kein zweites Mal passieren, dass ein Staat wie Mazedonien allein gelassen wird.” Österreich wolle nun in Brüssel für sein Anliegen werben, so Doskozil. Am Sonntag Nachmittag wollen italienische “Friedensorganisationen” gegen die geplanten Kontrollen direkt am Brenner demonstrieren – mit Massen-Übertritten ohne Ausweis.

Reinhard Frauscher

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