Aufklärung im Bundestag: Opposition kritisiert Antrag zu Amri-Ausschuss
Grüne, FDP und Linke sind mit dem Antrag von Union und SPD zum Amri-Untersuchungsausschuss nicht einverstanden. Warum die Einigung scheiterte - die Hintergründe.
Die Differenzen waren zu groß: Wenn der Bundestag am heutigen Donnerstag über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Anschlag auf dem Breitscheidplatz berät, wird es keinen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen geben. FDP, Grüne und Linke äußern deutliche Kritik am gemeinsamen Antrag von Union und SPD. „Der Untersuchungsauftrag, den Union und SPD in ihrem Antrag bisher beschreiben, reicht bei Weitem nicht aus“, sagt der Grünen-Geheimdienstexperte Konstantin von Notz. Versuche im Vorfeld, auf Mitarbeiterebene eine Einigung herbeizuführen, waren gescheitert.
Ein Streitpunkt ist der Zeitraum, den der Ausschuss untersuchen soll. „Die Beschränkung des Untersuchungsauftrags auf die Zeitspanne von der Einreise Anis Amris nach Deutschland bis zu seinem Tod ist fragwürdig bis fahrlässig“, sagt Notz.
Wurde nach Komplizen geforscht?
Die Linken-Abgeordnete Martina Renner, die im Ausschuss sitzen wird, sieht das genauso. Sie verlangt, dass untersucht wird, ob es Komplizen gegeben habe und was die Sicherheitsbehörden nach Amris Tod unternommen hätten, um deren mögliche Tatbeteiligung zu klären und um dschihadistische Netzwerkstrukturen aufzudecken. Auch für die FDP ist die Ausleuchtung des Umfelds von Amri „eine zentrale Frage“, wie der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Stephan Thomae sagt. Ein Rätsel ist beispielsweise noch immer, warum der Amri-Vertraute Bilal Ben Ammar Anfang Februar 2017 plötzlich abgeschoben wurde.
Bei der SPD ist man dennoch nicht der Meinung, dass die Zeit nach Amris Tod im Ausschuss beleuchtet werden sollte. „Ich habe nicht den Eindruck, dass ein späteres Enddatum des Untersuchungszeitraums einen nennenswerten Beitrag zur Aufklärung leisten würde“, sagt Fritz Felgentreu, der für die SPD im Ausschuss sitzen wird. Für ihn sei die spannende Frage, „ob Maßnahmen gegen die Person Anis Amri ausgeblieben sind, weil man sich durch ihn nachrichtendienstliche Erkenntnisse über sein Umfeld erhoffte. Das wäre fatal, denn dieser Erwägung wären Menschenleben zum Opfer gefallen.“
Die AfD war auffällig zurückhaltend
Notz moniert dennoch, dass von Union und Sozialdemokraten im Antrag nicht nach der politischen Verantwortung gefragt werde. „CDU und SPD haben möglicherweise ein Interesse daran, die Parteikollegen in NRW und Berlin zu schützen“, vermutet Renner. Sie befürchtet, die Union werde versuchen, den Ausschuss vor allem mit ausländerrechtlichen Fragen zu beschäftigen.
Grüne, Linke und FDP kritisieren auch, dass der Antrag von Union und SPD nicht vorsieht, die Rolle ausländischer Nachrichtendienste zu beleuchten. SPD-Mann Felgentreu verweist allerdings darauf, dass der Untersuchungsausschuss „nur auf das Wissen unserer Behörden“ zugreifen können und nicht auf das von ausländischen Nachrichtendiensten.
Grüne, Linke und FDP werden nun am heutigen Donnerstag jeweils eigene Anträge einbringen. Die AfD war bei diesem Thema bislang auffällig zurückhaltend. Wie bei den Linken zu hören ist, hätte man sich auch geweigert, mit der AfD gemeinsam auf dem Antrag zu stehen.
FDP würde mit Grünen und Linken zusammenarbeiten
Da es nicht zu einer Einigung kam, soll im Geschäftsordnungsausschuss später weiter an einer gemeinsamen Formulierung des Untersuchungsgegenstandes gearbeitet werden. Die Fraktionen sind einigermaßen optimistisch, dass das klappen wird. „Letztendlich liegen wir gar nicht so weit auseinander“, glaubt zumindest SPD-Mann Felgentreu.
Damit sie anschließend im Untersuchungsausschuss eigene Beweisanträge stellen können, würden Linke und Grüne gern mit der FDP zusammenarbeiten. FDP-Mann Thomae zeigt sich dafür offen. „Ich habe keine Berührungsängste“, sagt er. „Wenn man Beweisanträge stellen oder Zeugen vorladen will, warum sollte die FDP nicht versuchen, dafür eine qualifizierte Minderheit mit Grünen und Linken zu bilden?“ Noch ist unklar, welche Fraktion den Ausschuss leiten wird.