Umgang mit Durchsuchungsbeschluss im Finanzministerium: Olaf Scholz muss Verdacht gegen seinen Staatssekretär aufklären
Hat Wolfgang Schmidt das Gerichtsdokument unter der Hand an Medien verteilt? Das könnte eine Straftat sein. Das Verwaltungsgericht fordert Auskunft.
Das Bundesfinanzministerium muss öffentlich Auskunft darüber erteilen, ob Staatssekretär Wolfgang Schmidt (SPD) den Gerichtsbeschluss zur Durchsuchung des Ministeriums unmittelbar nach der Ermittlungsmaßnahme im September inoffiziell Medien zugespielt hat. Dies hat das Verwaltungsgericht Berlin jetzt nach einer Eilklage des Tagesspiegels entschieden (Az.: VG 27 L 298/21). In der möglichen Weitergabe des Beschlusses an Journalistinnen und Journalisten könnte eine Straftat gemäß Paragraf 353d liegen, der eine Veröffentlichung amtlicher Dokumente aus einem laufenden Strafverfahren verbietet.
„Anhaltspunkte für diesen Verdacht sind mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhanden“, heißt es in der einstweiligen Anordnung des Verwaltungsgerichts, die der Tagesspiegel eine Woche vor der Bundestagswahl beantragt hatte. Die entsprechende Recherche der Zeitung könne „ein gesteigertes öffentliches Interesse beanspruchen“, erklärte das Gericht und verwies auf die „hochrangige Position“, die Schmidt in der Hierarchie des Finanzministeriums einnehme.
Das Ministerium muss sämtliche Mitarbeiter befragen, die mit dem Durchsuchungsbeschluss befasst waren
Der Staatssekretär hatte zudem Auszüge des Durchsuchungsbeschlusses bei Twitter gepostet. Nach Übergabe durch die Osnabrücker Justiz hat die Staatsanwaltschaft Berlin einen Anfangsverdacht auf Paragraf 353d bejaht und ein eigenes Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dies erklärte ein Sprecher der Behörde am Freitag. Die Untersuchungen dauerten noch an, hieß es. Mittlerweile ist der Tweet gelöscht. Schmidt hatte die Durchsuchungen mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen kritisiert und der zuständigen Osnabrücker Staatsanwaltschaft Parteilichkeit vorgeworfen.
Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist das Ministerium verpflichtet, den Verdacht weiter aufzuklären. Neben Schmidt seien sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu befragen, die mit dem Durchsuchungsbeschluss befasst gewesen seien. Das Ministerium hat eine solche Abfrage bisher verweigert und sich darauf berufen, sie wegen seiner Fürsorgepflicht nicht durchführen zu können. Sie bringe Beschäftigte in die Lage, sich einer Straftat bezichtigen zu müssen, hieß es. Dem widersprachen die Richter jetzt: Es genüge die übliche Rechtsbelehrung, dass Befragte sich durch eine Aussage nicht selbst belasten müssten. „Die Beschäftigten können von ihrem Schweigerecht Gebrauch machen oder nicht“.
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Die Richter wiesen zudem die Argumentation des Ministeriums zurück, dass Auskünfte über derartige „Modalitäten der Öffentlichkeitsarbeit“ grundsätzlich nicht gegeben werden müssten, da sie zum geschützten „Kernbereich der Exekutive“ gehörten. Das Finanzministerium habe „nicht ansatzweise dargelegt, geschweige denn glaubhaft gemacht, dass durch die Erteilung der hier in Rede stehenden Auskünfte die Freiheit und Offenheit der Willensbildung innerhalb der Bundesregierung beeinträchtigt werden könnte“.
Scholz erklärte, er wissen nichts von den Vorgängen
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist noch nicht rechtskräftig, das Ministerium hat umgehend Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte im Prozess erklären lassen, er habe von etwaigen Weitergaben des Gerichtsbeschlusses durch Schmidt oder andere Beschäftigte seines Hauses weder etwas gewusst noch sei er daran beteiligt gewesen.
Nach den Durchsuchungen im Finanz- und Justizministerium waren in Medien Spekulationen darüber aufgekommen, ob die Maßnahmen parteipolitisch motiviert gewesen sein könnten, um dem SPD-Kanzlerkandidaten zu schaden. Zuständig war die Staatsanwaltschaft Osnabrück, die in Niedersachsen einem CDU-geführten Justizministerium untersteht. Das Bundesfinanzministerium soll auf Antrag des Tagesspiegels jetzt auch aufklären, ob und mit welchen Informationen sich der Staatssekretär an derartigen Spekulationen beteiligt oder sie unterstützt hat.
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