Libyen-Konferenz in Berlin: Ohne Risiko kein „leadership“
Vor zehn Jahren blamierte sich Deutschland mit der Enthaltung zu Libyen im Sicherheitsrat. Inzwischen übernimmt seine Außenpolitik Verantwortung für die Zukunft des Landes.
Mit Libyen verbindet sich eine traumatische Erfahrung für die deutsche Außenpolitik. Vor gut zehn Jahren sorgte das Thema für einen Bruch zwischen der Regierung in Berlin sowie den Partnern in Washington, London und Paris. Am 17. März 2011 stimmte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen über die Einrichtung einer Flugverbotszone ab, um die Aufständischen im Osten Libyens vor der Vernichtung durch Diktator Gaddafi zu schützen. Deutschland enthielt sich zum Entsetzen seiner Verbündeten. In der Empörung über das Wegducken Berlins ging unter, dass die Angst vor Chaos in Libyen und der Destabilisierung einer ganzen Region durchaus berechtigt war.
Nun hat die Bundesregierung im Auftrag der Vereinten Nationen und mit Unterstützung der EU die zweite Libyen-Friedenskonferenz innerhalb von eineinhalb Jahren ausgerichtet. Deren Vorgeschichte wirft ein düsteres Licht auf die Handlungsfähigkeit und den Behauptungswillen der EU. Denn Europa hat nach dem Sturz Gaddafis zugesehen, wie in seiner Nachbarschaft Russland, die Türkei, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate mit militärischer Gewalt ihre Ziele durchsetzten. Die EU-Kernländer Frankreich und Italien arbeiteten anfangs gegeneinander an der Seite jeweils einer Bürgerkriegspartei. Es war eine verfahrene Lage.
In das libysche Chaos wollte oder konnte Europa militärisch nicht eingreifen. Das gab anderen Raum. Aber seinen diplomatischen Spielraum hat Deutschland nun genutzt, auch im Interesse Europas. Zweifel sind berechtigt, ob die neuen Versprechen der Interventionsmächte glaubwürdiger sind als die alten, an die sich keiner hielt. Ausgerechnet der Nato-Partner Türkei verweigerte die Kontrolle eines Waffenfrachters durch eine deutsche Fregatte. Ohnmacht schien der Erfolg der Gespräche.
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Und trotzdem lohnt sich die neue Anstrengung, der Diplomatie in Libyen eine Chance zu geben – und sie findet Anerkennung. Gleich mehrfach lobte US-Außenminister Antony Blinken nun deutsches „Leadership“. Libyen beweist, dass das Versprechen eines stärkeren deutschen Engagements in der Außenpolitik, das Joachim Gauck Anfang 2014 gab, doch wirkt. Wer Verantwortung übernimmt, muss auch das Risiko des Scheiterns eingehen. Denn Führung ohne Risiko gibt es in dieser Welt nicht.