Deutsches Gesundheitssystem: Oft kritisiert - doch in der Krise zeigen sich die Vorteile des Systems
Krankenversicherung und Lohnfortzahlungen: Niemand muss seine Erkrankung aus wirtschaftlicher Not verheimlichen. Ein Kommentar
Es ist schwer, an diesen Zeiten etwas Positives zu finden. Und doch gibt es etwas. Ausgerechnet das deutsche Gesundheitssystem mit seinen Krankenkassen, dem Risikostrukturausgleich, der Lohnfortzahlung, sorgt in diesen Tagen dafür, dass niemand Angst haben muss, durch eine Coronavirus-Infektion zu verarmen – und aus diesem Grund stirbt, andere infiziert, oder in Gefahr bringt.
Bislang wurde das deutsche System der privaten und gesetzlichen Krankenkassen vor allem als Defizit-Konstruktion beschrieben. Die Lohnfortzahlung vom ersten Tag an galt als Relikt eines überkommenen Sozialstaates. Die vergleichsweise hohe Anzahl kleiner Krankenhäuser auf dem Land wurde unter Kostengesichtspunkten verurteilt. Zu teuer, ungerecht, ineffizient, falsche Anreizstrukturen – so lautete die Diagnose (die die Autorin dieser Zeilen ausdrücklich geteilt hat).
Krankheit ist kein Armutsrisiko
Diese Analyse ist immer noch richtig. Doch sie ist unvollständig. In der Krise treten die Vorteile eines solchen Systems um so heller hervor. Weil eine Krankheit wie Corona ein Gesundheits-, aber kein Armutsrisiko ist, muss sich niemand mit Fieber zur Arbeitsstelle schleppen. Das hilft, Corona-Patienten vergleichsweise früh und vollständig diagnostizieren und auch heilen zu können.
In normalen Zeiten hält man das für selbstverständlich. Man blickt kritisch auf diejenigen, die selbst mit leichten Verstimmungen lieber zu Hause bleiben, als zu arbeiten. Und man betrachtet Karenztage oder Selbstbeteiligungen in Gesundheitssystemen anderer Länder als Vorteil.
Niemand muss auf Behandlung verzichten, weil er es sich nicht leisten kann
Diesmal ist es anders. Spätestens jetzt würde man die Karenztage abschaffen, und die Selbstbeteiligungen aussetzen. Und hätte doch zu spät reagiert. Vermutlich wird es auch in diesem Land in den kommenden Wochen und Monaten zu Überlastungserscheinungen im Gesundheitssystem kommen. Es ist nicht auszuschließen, dass Menschen sterben müssen, die unter normalen Umständen nach wenigen Wochen als geheilt hätten entlassen werden können. Und doch ist es beruhigend zu wissen, dass niemand auf eine Behandlung verzichten muss, weil er sie sich nicht leisten kann.
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