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Politik: Offene Türen für Lobbyisten

1500 Vertreter von Verbänden haben Hausausweise für den Bundestag – das Parlament fürchtet Ärger, wenn es strenger vorgeht

Berlin - Der Schriftsteller Günter Grass will es radikal. Eine „Lobby-Bannmeile“ um den Bundestag hat der Literatur-Nobelpreisträger kürzlich als Konsequenz aus dem Streit um die Atomenergie gefordert. Ähnlich wie bei Protestkundgebungen müsse es eine Art Bannmeile um den Bundestag geben. „Das ist, glaube ich, die Voraussetzung für unabhängige Politik“, meint Grass.

Wenn das denn mal so einfach wäre. Lobbyisten gehen im Parlament ein und aus, so wie Abgeordnete, deren Mitarbeiter, Journalisten, Handwerker und Reinigungspersonal. Nach einem dem Tagesspiegel vorliegenden Bericht des für Polizei und Sicherungsaufgaben zuständigen Referates ZR 3 der Bundestagsverwaltung gibt es zurzeit circa 1500 Hausausweise für Vertreter von Verbänden. Mit einem solchen Hausausweis können sich Lobbyisten in den Parlamentsgebäuden bewegen. Nirgendwo wird kontrolliert oder festgehalten, bei wem sie vorstellig werden.

Besonders schwer war es bisher nicht, einen solchen Hausausweis zu bekommen. Mehrere Möglichkeiten sind vorgesehen: Nach einer sogenannten „Referenzregelung“ genügten die Unterschriften von fünf Abgeordneten, alternativ konnte ein Fraktionsvorsitzender oder ein Parlamentarischer Geschäftsführer empfehlen, wer einen Hausausweis bekommen soll. Zwar haben nach Angaben des Bundestages nicht Vertreter von allen 2152 registrierten Verbänden Hausausweise für den Bundestag beantragt. „Eine Reihe von Verbänden“ aber sei mit zahlreichen Lobbyisten im Parlament unterwegs. Und so rechnen die Sicherheitsexperten des Bundestages laut Bericht mit „gewissem Unmut“, sollte sich Forderung durchsetzen, die Zahl der Ausweise pro Verband auf fünf oder gar nur zwei zu reduzieren. Das wird derzeit in den Fraktionen diskutiert.

Denn ganz so großzügig wie bisher will das Parlament beim Hausausweisregime künftig nicht mehr sein. Erstens sollen Ausweise für Lobbyisten künftig nur noch ausgestellt werden, wenn den Antrag dazu ein parlamentarischer Geschäftsführer jeder Fraktion gegengezeichnet hat. Damit soll dann zugleich bestätigt werden, dass die Lobbyisten die Bundestagsgebäude „nicht zuletzt im Interesse des Parlaments häufig aufsuchen müssen“. Begrenzt werden soll möglichst auch die Zahl der Hausausweise pro Verband. Entscheidungen dazu aber gibt es noch nicht. Die Verwaltung sieht sich nach eigenen Angaben nicht in der Lage, zu prüfen, wie politisch, gesellschaftlich oder auch wirtschaftlich bedeutend ein Verband ist. Dies würde „die Leistungsfähigkeit der Zentralen Ausweisstelle unmittelbar überfordern“, heißt es in dem Bericht.

Dazu kommt: Die Fraktionen geben dem Problem ein sehr unterschiedliches Gewicht, wie sich erst vorvergangene Woche gezeigt hat, als der Bundestag erstmals Forderungen von Linksfraktion und Grünen nach Einführung eines Lobbyistenregisters diskutiert. Demnach sollten Auftraggeber und Honorare veröffentlicht werden. Der Linken-Abgeordnete Raju Sharma argumentiert: „Wähler vertrauen darauf, dass wir ihre Interessen wahrnehmen. Transparenz ist dafür die Grundlage.“ Und in ähnlicher Tonlage nennt Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck Transparenz die „beste Prophylaxe von Korruption, von anrüchigen Hinterzimmerpolitiken“. Ähnliche Einrichtungen wie das Lobby-Register gebe es im Übrigen auch bei der EU und im US-Kongress. Die SPD ist im Grundsatz ähnlicher Ansicht wie die beiden anderen Oppositionsfraktionen – allerdings dürften nicht alle Interessen, die auf die Abgeordneten „einströmen“, als illegitim gebrandmarkt werden.

Schwarz-Gelb lehnt das Lobby-Register als „bürokratisches Monster“ ab. Es versteht sich von selbst, dass sie von einer Lobby-Bannmeile, wie Grass sie fordert, erst recht nichts hält. Eine buchhalterische Erfassung von Lobbyisten wäre wirkungslos, sagt der CDU-Abgeordnete Armin Schuster. „Unlautere Einflussnahme läuft subtil ab und ist nicht zu verorten.“

Matthias Meisner

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