Schuldenkrise: OECD fordert eine Billion Euro für Rettungsschirm
Der Euro-Rettungsschirm soll aufgestockt werden - auf 700 Milliarden Euro. Doch kaum hat die Bundesregierung eingelenkt, soll auch diese Summe nicht genug sein.
Berlin - Trotz des Einlenkens der Bundesregierung geht die Debatte über die angemessene Höhe der Euro-Rettungsschirme weiter. Die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) warnte am Dienstag davor, dass auch ein auf 700 Milliarden Euro aufgestockter Schutzwall nicht ausreichen könnte. Generalsekretär Angel Gurría bekräftigte seine Forderung, die Haftungssumme auf eine Billion Euro aufzustocken. Zwar könne eine geringere Summe auch schon reichen, doch gelte für die Brandschutzmauer: „Je größer sie ist, desto eher überzeugt es die Märkte.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sind aber nur bereit, durch ein Fortwirken des vorläufigen Euro-Rettungsschirms EFSF die Rettungssumme auf rund 700 Milliarden Euro aufzustocken. Dafür bekamen sie am Dienstag in den Regierungsfraktionen breite Zustimmung, nachdem selbst die CSU tags zuvor ihren angekündigten Widerstand gegen eine höhere deutsche Haftung faktisch aufgegeben hatte. In der Unionsfraktion stellten sich nur vier Abgeordnete gegen ein entsprechendes Verhandlungsmandat für Schäuble. Die Euro-Finanzminister wollen die Aufstockung am Freitag beschließen.
Das Modell sieht vor, dass der EFSF bis Mitte 2013 parallel zum dauerhaften Rettungsschirm ESM weiterläuft und danach die bis dahin übernommenen Verpflichtungen weiterführt. Der EFSF hat bisher rund 200 Milliarden Euro an Krediten ausgehändigt, der ESM wird im Endausbaustadium für rund 500 Milliarden Euro bürgen können. Solange die Euro-Staaten die dafür nötigen Bareinlagen noch nicht gezahlt haben, soll der EFSF als Sicherheitspolster aktiv bleiben. Die Bundesregierung lehnt weitergehende Vorschläge ab, beide Rettungsfonds zu vereinigen und die Garantiesumme damit auf bis zu 940 Milliarden Euro zu erhöhen. Merkel sagte in der Unionsfraktion, das neue Rettungsschirm-Konzept sei der „Schlussstein eines in sich schlüssigen Weges“. Ihr langes Zögern bei der Aufstockung begründete sie damit, dass sie erst den Schuldenschnitt für Griechenland und den Fiskalpakt habe unter Dach und Fach haben wollen. Bei einer zu frühen Aufstockung der Rettungsschirme wären beide Schritte schwieriger durchsetzbar gewesen.
Der Bundestag debattiert am Donnerstag in erster Lesung über das Gesetz zur Einführung des ESM. Der zeitweisen Zusammenlegung der Rettungsschirme muss nach Angaben von CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt das Parlament erst zustimmen, wenn der ESM-Gouverneursrat den ESM-Vertrag entsprechend anpasst.
Unklar ist, ob der ESM-Vertrag und der Fiskalpakt wie von der Koalition geplant gemeinsam beschlossen werden können. SPD und Grüne forderten bei einem ersten Gespräch mit Schäuble und den Fraktionschefs von CDU/CSU und FDP mehr Zeit zur Beratung des Fiskalpakts. Die Beratungen könnten sich bis Herbst hinziehen. Die Koalition braucht die Zustimmung der Opposition, weil für den Fiskalpakt eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat erforderlich ist.
Bei dem Treffen machte Schäuble deutlich, dass er kaum noch Chancen für eine Einführung der von der SPD bisher ultimativ geforderten Finanztransaktionssteuer sieht. Der Finanzminister schlug vor, stattdessen eine erweiterte Börsensteuer nach britischem Vorbild anzustreben. Die Oppositionsvertreter forderten ihn gleichwohl auf, weiter Druck für eine Transaktionssteuer zu machen. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier erklärte allerdings später, die Zustimmung der SPD-Fraktion werde davon abhängen, ob zusätzliche Wachstumsimpulse für Krisenstaaten beschlossen würden.