Wie unabhängig ist Amerikas Justiz?: Oberster US-Richter weist Trump zurecht
Chef des Supreme Court kritisiert Richterschelte des Präsidenten: „Wir haben keine Obama-Richter oder Trump-Richter.“ Roberts lobt Unabhängigkeit der Justiz.
Der Oberste Richter der USA, John Roberts, hat Präsident Donald Trump wegen dessen Wortwahl gerügt. „Wir haben keine Obama-Richter oder Trump-Richter, Bush-Richter oder Clinton-Richter“, betonte der Vorsitzende des Supreme Court. Die USA hätten eine von der Politik „unabhängige Justiz. Dafür sollten wir alle dankbar sein.“ Amerika habe eine herausragende Gruppe engagierter Richter, die ihr Bestes täten und jeden vor Gericht nach gleichen Maßstäben des Rechts behandelten, betonte der konservative Jurist.
Von Bush ernannt, auf Distanz zu Trump
Er war 2005 auf Vorschlag des Präsidenten George W. Bush an das Oberste Gericht berufen worden, zeigte aber Respekt vor Präsident Obama. Um ihr Amt antreten zu können, müssen Bundesrichter vom Senat, der zweiten Kammer des Kongresses, bestätigt werden.
Roberts reagierte mit dem Rüffel auf eine Verbalattacke Trumps gegen Bundesrichter Jon Tigar in San Francisco. Der hatte am Montag Trumps Anordnung zur Verschärfung der Regeln für Asylanträge per einstweiliger Verfügung gestoppt. Der Präsident warf Tigar parteipolitische Motive vor und nannte ihn einen „Obama-Richter“. Tigar war 2012 auf Vorschlag des Präsidenten Barack Obama berufen worden. Der Senat hatte ihn einstimmig bestätigt.
Geklagt wird gezielt in bestimmten Gerichtsbezirken
Ein derartiger Schlagabtausch zwischen dem Obersten Richter und dem Präsidenten ist ungewöhnlich. Trump beklagte sich zudem über den Gerichtsbezirk in Kalifornien, dem Tigar angehört. „Bei jeder Klage, die im Neunten Gerichtsbezirk eingereicht wird, werden wir geschlagen.“ Das dürfe so nicht weitergehen. „Der Neunte Gerichtsbezirk ist wirklich etwas, das wir uns anschauen müssen. Es ist eine Schande.“
Die Besetzung der Bundesgerichte und des Supreme Court mit konservativen Kandidaten gehört zu Trumps zentralen Wahlversprechen. Nach seiner Überzeugung reichen linke Organisationen und Anwälte Klagen gegen eine strengere Asyl- und Migrationspolitik gezielt in Gerichtsbezirken mit Richtern ein, die unter demokratischen Präsidenten ins Amt kamen.
Vorwurf: "Richterlicher Aktivismus"
Die Republikaner beklagen sich schon lange über einen juristischen „Aktivismus“. Die „aktivistischen“ Richter begnügten sich nicht damit, die Verfassung und die Gesetze nach deren Wortlaut anzuwenden, sondern wollten sie aus politischen Motiven neu interpretieren. Als Paradebeispiel gilt die Entscheidung zum liberalen Abtreibungsrecht „Roe versus Wade“ 1973. Sie stützt sich auf die umstrittene Überzeugung der damaligen Mehrheit des Supreme Court, dass die Verfassung ein Recht auf „Privacy“ enthalte, auch wenn es nicht explizit im Text stehe – das Recht der Frauen, über ihren Körper zu entscheiden, auch wenn dies im Konflikt mit dem ungeborenen Leben stehe.