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Lyriker Jörg Bernig.
© promo
Update

Nach CDU-AfD-Pakt in Radebeul: Oberbürgermeister verhindert Berufung von neurechtem Kulturamtsleiter

In Radebeul wird der neurechte Lyriker Jörg Bernig zum Kulturamtsleiter gewählt. Doch der CDU-nahe Oberbürgermeister legt sein Veto ein.

In Radebeul bei Dresden ist die Berufung des neurechten Lyrikers Jörg Bernig zum Kulturamtsleiter geplatzt. Der parteilose Oberbürgermeister Bert Wendsche legte am Montagabend sein Veto gegen den Stadtratsbeschluss vom Mittwoch ein. Er begründete das mit „Nachteiligkeit für die Stadt“. Nun muss der Beschluss dem Stadtrat noch einmal zur Entscheidung vorgelegt werden.

Mit den Stimmen offenbar von CDU und AfD war Bernig zum Kulturamtsleiter der Nachbarstadt von Dresden gewählt worden. Bernig gilt als Vordenker der neurechten Szene und publiziert unter anderem in der Zeitschrift „Sezession“ des rechtsradikalen Aktivisten Götz Kubitschek und anderen neurechte Magazine. Der Vorschlag für seine Wahl soll von der CDU-Fraktion gekommen sein. „Ein exzellenter Mann“, schwärmte der AfD-Europaabgeordnete Maximilian Krah nach der Wahl.

Nun muss neu entschieden werden. „Die durch den Beschluss bereits jetzt schon deutlich spürbare Polarisierung wirkt sich aus meiner Sicht negativ und nachteilig für die Stadt aus“, erklärte Wensche am Montagabend. „Die Verantwortung liegt nun wieder dort, wo sie hingehört, beim Stadtrat.“

Schlagzeuger „Baby“ Sommer: Den Anfängen wehren

Die Künstler der Stadt waren seit Mittwoch in Aufruhr. Vier Träger des Kunstpreises der Stadt Radebeul, unter anderem der Schauspieler Friedrich-Wilhelm Junge und der Jazz-Schlagzeuger Günter „Baby“ Sommer drohten, die Auszeichnung zurückzugeben, sollte Bernig das Amt antreten. „Sehr empört“ sei die gesamte Kulturszene, sagte Sommer dem Tagesspiegel. In Anspielung auf die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich im Februar zum Ministerpräsidenten von Gnaden der AfD in Thüringen fügte er hinzu: „Wir sind irritiert, dass das Erfurter Beispiel hier Schule macht.“

In einem Offenen Brief an den parteilosen, der CDU nahestehenden Oberbürgermeister Wendsche schrieb Sommer am Wochenende, er fürchte das „Ende der Vielfalt in der bunten Kunst- und Kulturlandschaft in unserer weltoffenen Stadt Radebeul“.

Bernig stehe AfD, Pegida und der Identitären Bewegung nahe, habe eine ausländerfeindliche Gesinnung, schreibt Sommer weiter. Und: „Eine ,Bücherverbrennung' und eine Ausstellung der ,Entarteten Kunst' wird unsere wehrhafte Demokratie verhindern. Aber einem Abbau großzügiger freiheitlicher Rechte in der Kunstausübung - wie es die AfD vorhat - gilt es in den Anfängen zu wehren.“

In einem weiteren Offenen Brief protestierten Kunst- und Kulturschaffende aus Radebeul, darunter auch Mitarbeiter der Stadtverwaltung, gegen Bernig und seine „fragwürdigen, kleingeistigen Äußerungen“. Sie erklärten, Bernig als Kulturamtsleiter verhindern zu wollen. Mit seinen islamkritischen Wortmeldungen verurteile er Menschen pauschal, schüre Wut und Hass in der Bevölkerung.

Schriftstellerverband PEN ermahnt sein Mitglied

Am Montag meldete sich der Schriftstellerverband PEN zu Wort. Regula Venske, Leiterin des deutschen PEN-Zentrums, sagte dem Tagesspiegel, der Verband erklärte sich ausdrücklich solidarisch mit den Kulturschaffenden aus Radebeul: „Sehr viele von uns denken, dass man sich einfach nicht mit den Stimmen der AfD wählen lässt.“

Unter Hinweis auf Bernig erklärt Venske: „Der deutsche PEN als Mitglied im internationalen PEN wendet sich mit aller Schärfe gegen nationalistische Bewegungen, insbesondere gegen Positionen, wie sie AfD, Pegida und ähnliche Gruppierungen vertreten. Derartige politische Formationen stehen den Grundüberzeugungen des PEN – Freiheit, Vielfalt, Solidarität – diametral entgegen.“ Von „gegebenenfalls notwendigen Konsequenzen“ ist die Rede. Noch setzt der Verband, in dem Bernig Mitglied ist, auf dessen Lernfähigkeit.

„Die politische Schicht taumelt“

Der Lyriker Bernig ist seit Jahren scharfer Kritiker der Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel. Unter der Überschrift „Zorn allenthalben“ schrieb er 2015 in einem Essay für die „Sächsische Zeitung“, die Pegida-Demonstranten wollten „vor allem ausdrücken, dass sie sich seit Jahren in existenziellen Fragen übergangen fühlen“. Und: „Die politische Schicht taumelt nun vor Ereignissen her, die sie teils selbst hervorgerufen hat. Die Kanzlerin aber sagte, dass sie die Lage im Griff habe. Hochmut kommt vor dem Fall.“

2016 sagte Bernig in seiner „Kamenzer Rede“: „Machtgeschützt wird dem Volk in einem fort gesagt, was richtig ist, was es zu denken hat. (...) Und dass sich das Volk nicht mehr als Volk, sondern als formbare Bevölkerung sehen soll.“

Bernig gehörte später zu den Unterzeichnern der „Charta 2017“, die die Pegida-nahe Dresdner Buchhändlerin Susanne Dagen initiiert hatte und laut der die Gesellschaft in Deutschland „nicht mehr weit von einer Gesinnungsdiktatur entfernt“ sei. Der Brief war eine Reaktion auch auf Störaktionen gegen Kubitscheks Antaios-Verlag 2017 auf der Frankfurter Buchmesse.

Kubitschek, in dessen Zeitschrift Bernig publiziert, war zuvor im Januar 2017 mit dabei, als Thüringens AfD-Chef Björn Höcke im Dresdner Ballhaus Watzke in einer Rede das Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“ bezeichnete. Einen ähnlichen Tenor wie die „Charta 2017“ hatte später dann die „Gemeinsame Erklärung 2018“ rechter Publizisten, bei der Bernig ebenfalls zu den Erstunterzeichnern gehörte.

„Krisenmanager“ der Landes-CDU

Die rechten Tendenzen im Radebeuler CDU-Stadtverband und die Verbindung von Bernig zu Kubitschek hatten auch Teile der Landes-CDU alarmiert. Im Februar war bekannt geworden, dass ein CDU-Stadtrat aus Radebeul bei Pegida mitlief. Die CDU-rechte „Werte-Union“ ist im Kreisverband besonders stark, ihr prominentestes Mitglied, der Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen, begann in Radebeul seine Tour im sächsischen CDU-Landtagswahlkampf.

Der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz twitterte am Wochenende: „Habe gerade unter anderem „Zorn allenthalben“ von Herr Bernig gelesen. Aus meiner Sicht nicht wählbar als Leiter kommunales Kulturamt. Nicht zuletzt auch ob Erstunterzeichnung ,Gemeinsame Erklärung 2018' und insbesondere, weil er bei Kubitschek in ,Sezession' schreibt. Weit weg von Mitte.“

Sachsens SPD-Chef und Vize-Ministerpräsident Martin Dulig schrieb auf Facebook, der Schulterschluss von CDU und AfD in Radebeul sei kein Zufall, sondern „von der ,Werte-Union' gezielt gesteuert“. Dem „klaren Kurs“ von Kretschmer im Umgang mit der AfD werde damit „ein Bärendienst erwiesen“.

Bernig hatte sich nicht zur Debatte um seine Person geäußert. Auch Ministerpräsident und CDU-Landeschef Michael Kretschmer ließ Anfragen für eine Stellungnahme zu dem Vorgang unbeantwortet.

Aus der CDU-Landesführung hieß es am Montag, sein Generalsekretär Alexander Dierks sei als „Krisenmanager“ im Einsatz. Es werde versucht, auf den parteilosen Oberbürgermeister mit dem Ziel einzuwirken, die Zustimmung zur Amtseinsetzung von Bernig zu verhindern. Was letztlich wohl offenbar doch Erfolg hatte.

Die Kulturschaffenden aus Radebeul waren kurz davor, die Geduld zu verlieren. Ein Brief an Kretschmer war am Montag in Vorbereitung. Ein Künstler sagte am Wochenende dem Tagesspiegel: „Es beschädigt die Glaubwürdigkeit des Ministerpräsidenten, wenn er seinen CDU-Saftladen nicht im Griff hat.“

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