Freiheitsmedaille: Obama ehrt Merkel: Ein Preis für eine Hoffnung
Orden und US-Lob für Angela Merkel: Berlin ist trotzdem zurückhaltend zu Barack Obamas Wunsch nach einem stärkerem Libyen-Engagement.
Die Bundesregierung hat ausweichend auf Vorschläge von US-Präsident Obama für ein stärkeres deutsches Engagement in Libyen reagiert. Kurz vor der Abreise von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Washington würdigte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag zwar ausdrücklich das Lob Obamas für Merkel. Auf dessen Vorschlag für ein stärkeres gemeinsames Engagement in Nordafrika aber ging Seibert nicht ein. Die Wirtschaftspolitik werde ebenso wie Libyen in dem Vier-Augen-Gespräch der beiden Politiker eine Rolle spielen, sagte er in allgemeiner Form. Er wolle dem aber „nur ungern vorgreifen“.
Obama hatte im Interview mit dem Tagesspiegel erklärt, er freue sich auf die Diskussion mit der Kanzlerin, „wie wir gemeinsam noch mehr tun können, um effektiver auf die Veränderungen in der Region zu reagieren, inklusive Libyen“. Die Menschen in Libyen, Ägypten und anderen Staaten Nordafrikas verdienten die entschlossene Hilfe Deutschlands und Amerikas. Der US-Präsident bezeichnete Merkel als „gute Freundin und einen der engsten Partner in der Welt“. Obama sagte: „Ich kann ihr vertrauen, wenn sie eine Zusage macht.“ Merkel erhält aus der Hand des Präsidenten die Freiheitsmedaille, eine hohe Auszeichnung.
Experten für die transatlantischen Beziehungen in Deutschland und in den USA sprachen von einer bemerkenswerten Geste des US-Präsidenten gegenüber dem Gast aus Deutschland. „Es ist erfreulich, dass es in Washington eine neue Aufmerksamkeit für Deutschland gibt und dass Präsident Obama auch symbolisch die Hand ausstreckt“, sagte Henning Riecke von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik dem Tagesspiegel: „Sein Lob für Merkels Verlässlichkeit halte ich für authentisch.“ Allerdings seien mit dem Lob auch hohe Erwartungen seitens des Gastgebers verbunden. „Die Medaille bekommt Merkel ebenso sehr für Dinge, die von Deutschland erwartet werden, wie für das, was sie geleistet hat“, sagte Riecke. Beide Partner müssten mit strukturellen Konflikten umgehen: So positionierten sich die USA als globale Supermacht und beurteilten ihre Partner danach, ob sie dabei hilfreich seien. Deutschland aber habe andere Prioritäten. Auf dem Feld der Wirtschaft dränge die USA Deutschland, mehr Geld auszugeben und US-Waren zu kaufen, aber Berlin sei Hüterin der Stabilitätskultur. Dazu komme: „Die deutsche Kultur der militärischen Zurückhaltung wird in den USA oft als Feigheit ausgelegt, das Nein zum Libyeneinsatz ist da nur das jüngste Beispiel“, sagte Riecke.
Hohe Erwartungen des Gastgebers an Deutschland sieht auch Thomas Kleine-Brockhoff vom German Marshall Fund in Washington: „Obama würdigt nicht den Partner, den er tatsächlich hat, sondern den Partner, den er gerne hätte.“ Diesem Wunschpartner werde „in einer ganz ungewöhnlichen Weise der rote Teppich ausgerollt“. Die Amerikaner wünschten sich eine europäische Führungsmacht, die ihnen bei der Gestaltung globaler Aufgaben eine verlässliche Stütze sei. „Die Amerikaner suchen den europäischen Ankerpartner und sind irritiert durch die Suchbewegungen der deutschen Außenpolitik“, meinte Kleine-Brockhoff. Auch die schnelle deutsche Atomwende trage aus US-Sicht zum Bild des Unsteten bei.
Ein weniger offensives Signal in dem Lob für Merkel sieht dagegen Peter Rudolf von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik: „Der Präsident ist höflich wie immer und würde in einem Interview nie gravierende Meinungsverschiedenheiten zwischen Partnern ansprechen oder gar offen Kritik üben.“ Die Verstimmung in der US-Regierung über das deutsche Nein zum Libyeneinsatz sei nicht so groß, wie oft behauptet werde. Als zentralen Punkt des Interviews nannte der Wissenschaftler den Vorschlag zu mehr gemeinsamem Engagement in Arabien. „Womöglich geht es Obama dabei um einen deutschen Beitrag zur Stabilisierung Libyens nach dem Sturz Gaddafis“, meinte Rudolf.
Tatsächlich hat in der Nato längst eine Debatte darüber begonnen, ob das Bündnis die Stabilität des Landes nach Gaddafis Sturz auch militärisch absichern soll. Falls die US-Regierung beim Besuch Merkels und ihrer Minister tatsächlich einen deutschen Beitrag dazu verlangen sollte, würde sie zumindest bei Außenminister Guido Westerwelle (FDP) auf Granit beißen. Bevor er in die USA abreiste, bekräftigte Westerwelle am Montag die Absage an ein militärisches Engagement in Libyen. „Diese Haltung der Bundesregierung ist unverändert“, sagte er.