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Ein christliches Fisch-Mosaik in der Notre-Dame-du-Val Kirche.
© imago/UIG

Berlins Neutralitätsgesetz: Ob Kopftuch, Kippa oder Kreuz: Jetzt erst recht!

Freiheitsliebende Menschen werden durch Verbote oft provoziert. Eine Lehrerin in Berlin, die kein Kreuz am Hals tragen durfte, hat sich nun einen Fisch umgehängt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Freiheiten müssen ertrotzt werden. Für sie einzustehen, erfordert so lange Mut, wie genau dies von einem großgesellschaftlichen Konsens unterbunden werden soll. Das galt für Frauen beim Tragen des Minirocks, für Männer, wenn sie sich die Haare bis zum Po wachsen ließen, und es gilt für Homosexuelle, die sich in der Öffentlichkeit küssen.

Auch die Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht. Die Menschenrechte wiederum sind universell, unveräußerlich und unteilbar. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht Anfang 2015 entschieden, dass das Tragen religiöser Symbole nicht pauschal verboten werden darf. Dieses Urteil aber kollidiert mit Berlins Neutralitätsgesetz, dass es Lehrern, Polizisten und Justizmitarbeitern untersagt, im Dienst Kreuz, Kippa oder Kopftuch zu tragen.

Wer nun meint, daraufhin würde die Landesregierung das Neutralitätsgesetz schleunigst überarbeiten, überschätzt deren Lern- und Einsichtsfähigkeit. Lieber zahlt sie einer Muslima, ohne in Revision zu gehen, Entschädigung dafür, ihr das Kopftuch verwehrt zu haben.

Der Fisch lässt sich auch als „Schwimmen gegen den Strom“ interpretieren

Grotesk entwickelt sich nun auch der Streit mit einer evangelischen Lehrerin, die an einer Weddinger Schule zunächst ein Kreuz um den Hals trug, das ihr dann per Dienstanweisung verboten wurde, und statt des Kreuzes jetzt ein Fisch als Kettenanhänger umgelegt hat. Der Fisch ist ebenfalls ein christliches Symbol, weil jeder Buchstabe des griechischen Wortes für Fisch (Ichthys) zugleich der Anfangsbuchstabe jener fünf Worte sind, die ein Glaubensbekenntnis ergeben. Der Fisch steht für Gemeinde und Gemeinschaft, lässt sich aber auch als „Schwimmen gegen den Strom“ interpretieren. Wie passend!

Was ist ein christliches Symbol? Bei Kreuz und Fisch mag die Sache noch klar sein, doch wie verhält es sich mit Taube (Hoffnung, Frieden, Heiliger Geist), Anker (Hoffnung, Sicherheit, Heil), Regenbogen (als Zeichen des Bundes, den Gott mit den Menschen geschlossen hat)? Außerdem ist ungeklärt, ab welcher Größe ein Kettenanhänger noch als erlaubtes Schmuckstück durchgeht oder als unerlaubtes religiöses Symbol verbannt werden darf.

Freiheitsliebende Menschen werden durch Verbote oft provoziert. Ihr Motto heißt dann: Jetzt erst recht. Auch darüber sollten Berlins Neutralitäts-Rigoristen mal nachdenken.

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