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So nicht. Obwohl die Gefahr eines Anschlags in Deutschland weiterhin als „hoch“ eingestuft wird, sollen - anders als im November hier am Berliner Hauptbahnhof - keine Polizisten mit Maschinenpistolen auf Bahnhöfen und an Flughäfen patrouillieren.
©  dpa

Sicherheitslage: Nur keine Panik

Das Ende des Al-Qaida-Chefs gibt keinen Anlass zu neuen Sicherheitsvorkehrungen. Das meinen in Berlin – fast – alle.

Berlin - Die Sicherheitslage in Deutschland hat sich nach Einschätzung der Bundesregierung durch den Tod Osama bin Ladens nicht verschärft. Die Gefahr von Anschlägen ist nach wie vor hoch, aber sie ist nicht gestiegen. Kanzlerin Angela Merkel brachte diese Sicht in einer kurzen Stellungnahme im Kanzleramt auf die Formel: „Keine Veränderung, aber hohe Aufmerksamkeit.“ Dass US-Spezialkommandos den Mann getötet haben, der hinter dem Anschlag auf das World Trade Center und anderen Attacken stand, bedeute für die Welt „unstreitigerweise ein Stück Sicherheit mehr“ und sollte seinen Gefolgsleuten eine Warnung sein, betonte Merkel. Andererseits: „Die Gefahr ist noch nicht gebannt.“

Im gleichen Sinne äußerte sich Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) am Morgen kurz vor dem Abflug zu einem Besuch in den USA, wo er ohnehin mit der US-Regierung über den Kampf gegen den internationalen Terror reden will. „Wir haben unverändert eine hohe Bedrohungslage“, sagte Friedrich, hob aber zugleich hervor, dass es keinerlei konkrete Hinweise auf drohende Anschläge gebe. Mit amerikanischen Verantwortlichen werde geredet, doch weder an US-Einrichtungen noch an potenziellen deutschen Gefahrenpunkten wie Flughäfen oder Bahnhöfen würden die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt.

Das gilt auch für Afghanistan. „Im Moment“, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums, gebe es keinen Anlass zu glauben, dass die Sicherheitslage um die Bundeswehr-Operationsgebiete Masar-i-Scharif und Kundus sich ändere. Bin Laden habe ein gewisse „strategische Bedeutung“ gehabt, weil er auch für die Taliban eine „Galionsfigur“ gewesen sei. „Aber im operativen Geschäft in Afghanistan spielt es keine Rolle.“

Hinter diesem betonten amtlichen Nicht-Alarmismus steht einerseits das Bemühen, die Bürger nicht unnötig zu beunruhigen, andererseits die Einschätzung, dass Deutschland auf der Zieleliste des Terrors nicht ganz weit obenan steht. Racheaktionen, vermuten Sicherheitsexperten, würden sich zunächst gegen Amerikaner richten. Auf der anderen Seite bleibt die Anschlagsgefahr hoch und konkret, wie erst in der vergangenen Woche die Festnahme der drei mutmaßlichen Mitglieder der „Düsseldorfer Zelle“ gezeigt hat. Der Fall ist schon deshalb bemerkenswert, weil offenbar Al Qaida direkt Islamisten mit einem Anschlag in Deutschland beauftragt hat. Das gab es laut Sicherheitsbehörden zuvor nur einmal: Im Jahr 2003 wurde der Tunesier Ihsan G. in Berlin festgenommen, wo er auf Geheiß von Al Qaida einen Terrorangriff auf US-Ziele zum Beginn des Irakkrieges geplant haben soll. Bei anderen islamistischen Anschlagsversuchen in Deutschland handelten die Täter entweder auf eigene Faust oder agierten im Namen anderer Terrororganisationen wie der „Islamischen Dschihad Union“.

Schärfere Töne als die Bundesregierung schlugen einzelne Unionspolitiker an. Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach warnte vor „Vergeltungsaktionen“. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sah die Sicherheitslage eindeutig verändert, schloss eine Anhebung der Sicherheitsstufe nicht aus und forderte eine Sonderkonferenz der Innenminister.

Bemerkenswerte Unterschiede in der Tonlage gibt es auch in der Frage, welche Schlüsse der Gesetzgeber aus den jüngsten Terror-Vorfällen zieht. CSU-Chef Horst Seehofer und sein Landesinnenminister Joachim Hermann drangen auf schnelle Verlängerung der Anti-Terror- Gesetze, die die rot-grüne Regierung als Reaktion auf die Anschläge auf das World Trade Center beschlossen hatte. Das Gesetzespaket ist derzeit bis 2012 befristet. „Es geht nicht um gesetzgeberischen Aktionismus, sondern um Schutz und Sicherheit der Bürger“, sagte Seehofer. Herrmann forderte die FDP darüber hinaus auf, jetzt endlich den Forderungen der Union zur Vorratsdatenspeicherung zuzustimmen.

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bekräftigte aber, sie sehe weder Grund zur Eile noch zur Ausweitung. Die Anti-Terror-Gesetze würden jedes für sich überprüft, und dann werde entschieden, welches verlängert, entfristet oder abgeschafft werde; pauschale Verlängerung lehne sie ab.

Einen Verbündeten für dieses Vorgehen fand sie ausgerechnet in der CSU. Friedrich nämlich wies am Montag die Darstellung ausdrücklich zurück, dass er den nach seinem Urheber Otto Schily so- genannten „Otto-Katalog“ pauschal verlängern oder entfristen wolle. „Wir werden das auf eine differenzierte Art und Weise diskutieren“, betonte der Bundesinnenminister.

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