Atomdeal: Nuklearpakt mit Indien spaltet Lieferstaaten
Beim Nukleardeal zwischen Indien und den USA müssen jetzt die Lieferstaaten für Atomtechnologie Stellung beziehen – auch Deutschland.
Berlin - Wenn sich an diesem Donnerstag und Freitag die Nuclear Suppliers Group (NSG) in Wien unter deutschem Vorsitz zum Sonderplenum trifft, beraten die Lieferländer für Nuklearmaterial ein brisantes Thema: eine mögliche Erlaubnis für den Atomtechnologieexport nach Indien. Grund ist der Nuklearpakt zwischen Neu-Delhi und Washington, der kontrovers diskutiert wird: Gegner sehen in ihm eine existenzielle Gefahr für den Atomwaffensperrvertrag, Befürworter nennen ihn die Chance, die Atommacht Indien enger in das Anti-Proliferationssystem einzubinden – und eine kommende Weltmacht nicht länger als Paria in Atomfragen zu behandeln.
Indien, das nach Ansicht von Experten rund 100 Nuklearwaffen besitzt, ist kein Mitglied des Atomwaffensperrvertrages. Seit einem Atomtest 1974 gelten Sanktionen gegen das Land, die nach weiteren Tests 1998 bekräftigt wurden. Bisher schließen die 45 Staaten der NSG, die den Handel mit Atomtechnologie kontrollieren, Indien von jeglicher Nuklearkooperation aus. Die US-Regierung aber möchte die Lieferung von Kernkraftwerken und anderer ziviler Nukleartechnologie zulassen.
Präsident George W. Bush hatte schon Anfang 2004 eine engere Kooperation mit Indien bei der zivilen Nutzung der Kernenergie angekündigt. Er will ein Gegengewicht zu China und einen strategischen Partner in Asien fördern, die Wirtschaft verspricht sich Milliardenverträge vom Exportgeschäft. Der Nuklearpakt wäre einer der wenigen außenpolitischen Erfolge der Regierung Bush. Sie macht jetzt Druck auf die NSG, rasch zu einer – positiven – Entscheidung zu kommen, in der Hoffnung, dass dann der US-Kongress noch vor den Wahlen über den Deal entscheidet. Indiens Premier Manmohan Singh wiederum riskierte für den Deal im Juli sogar in einer sehr knappen Vertrauensabstimmung sein Amt.
Gegner des Paktes – auch in den USA – kritisieren die geplanten Zugeständnisse an Indien. Gerade jetzt würden sie die Glaubwürdigkeit des Atomwaffensperrvertrages unterminieren, wenn zugleich der Iran, immerhin Vertragsmitglied, wegen seines Atomprogramms unter Druck stehe und die Urananreicherung aussetzen solle. Vor allem aber, sagt Oliver Meier vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, bringe Indien für seine Privilegien keine echte Gegenleistung. So sehe das Anfang August von der Internationalen Atomenergiebehörde mit Indien geschlossene Sicherheitsabkommen, eine Vorbedingung für den USA-Indien-Deal, zwar eine Kontrolle von 14 der insgesamt 22 Atomreaktoren Indiens vor. Jedoch können die Inder diese Kontrollen stoppen, sobald sie keine Brennstofflieferungen mehr erhalten. Da zugleich die Amerikaner ihren Partner zusichern wollen, für entsprechende Reaktoren einen auf Jahre ausreichenden Vorrat zu liefern, hebelt der Passus die Sanktionsmöglichkeiten aus, sollte Indien beispielsweise wieder eine Atombombe testen.
Oliver Thränert von der Stiftung Wissenschaft und Politik sieht dies ebenfalls kritisch, glaubt aber nicht, dass „die Bundesregierung es sich leisten kann“, gegen eine Exporterlaubnis ein Veto einzulegen. Dies würde „nicht nur die bilaterale Beziehungen zu Indien massiv belasten“, sondern auch nur dazu führen, dass dann Atomstaaten wie USA, Frankreich oder Großbritannien ihre Geschäfte an der NSG vorbei machen würden.
Die Bundesregierung selbst hält sich bei dem Thema sehr zurück. Das liegt nicht nur am Vorsitz der NSG, der Moderation unter den Mitgliedern verlangt, sondern auch daran, dass in Opposition und SPD viele Gegner des Nukleardeals sitzen. In Wien werden Staaten wie Österreich, Neuseeland und die Niederlande Bedenken und Änderungsvorschläge mit Blick auf eine Exporterlaubnis für Indien erläutern. Schon jetzt gilt mindestens ein weiteres Treffen als notwendig.
Die Inder wiederum haben schon klargemacht, dass zwei Punkte, die auch US-Demokraten für wichtig halten, nicht verhandelbar sind: Ein Beitritt zum Kernwaffenteststopp-Vertrag, sowie eine verbindliche Zusage, kein neues Nuklearmaterial für Atombomben zu produzieren.