Prozess in München: NSU verwendete Schalldämpfer - aber nicht bei allen Mordanschlägen
Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt setzten nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamts bei mindestens fünf Morden einen Schalldämpfer ein - nicht aber bei dem Mordanschlag auf die Polizisten Michèle Kiesewetter und Martin A. in Heilbronn.
Die rechtsextremen Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt haben nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamts bei mindestens fünf Morden einen Schalldämpfer eingesetzt. Bei den Geschossen, die an den Tatorten gefunden wurden, seien „Anhaftungen“ von Aluminium festgestellt worden, sagte am Dienstag ein Sachverständiger des BKA. Er geht davon aus, dass die Projektile den Schalldämpfer an einer Stelle gestreift haben, als sie hindurchflogen. Der Schalldämpfer war auf die Pistole Ceska 83 geschraubt, mit der Mundlos und Böhnhardt insgesamt neun Migranten türkischer und griechischer Herkunft töteten.
Die Spuren von Aluminium an Projektilen fand das BKA nach Morden des NSU in Rostock, Nürnberg, München, Dortmund und Kassel. Opfer dieser von 2004 bis 2006 verübten Attentate waren die Türken Mehmet Turgut und Ismail Yasar, der Grieche Theodoros Boulgarides sowie die Deutschtürken Mehmet Kubasik und Halit Yozgat. Bei den anderen vier Morden an Migranten benutzten Mundlos und Böhnhardt andere Munition, an der sich keine Spuren eines Schalldämpfers fanden. Dennoch sei auch bei diesen Taten nicht auszuschließen, dass einer verwandt wurde, sagte der BKA-Mann.
Beim Mordanschlag auf die Polizistin Kiesewetter war es anders
Keine Hinweise auf einen Schalldämpfer fanden sich nach dem Mordanschlag des NSU auf die Polizisten Michèle Kiesewetter und Martin A. in Heilbronn im April 2007. Mundlos und Böhnhardt versetzten Kiesewetter und ihrem Kollegen je einen Kopfschuss. Die Polizistin starb am Tatort, Martin A. überlebte wie durch ein Wunder. Bei diesem Verbrechen verzichteten Mundlos und Böhnhardt auf die Ceska und setzten zwei andere Pistolen ein.
Unklar blieb am Dienstag jedoch, welcher Schalldämpfer bei den fünf Morden an Migranten aufgeschraubt war. Der BKA-Experte hielt es etwas überraschend für „nicht relevant“, ob es nun der Schalldämpfer war, der an der Ceska 83 im Schutt des abgebrannten Hauses in Zwickau gefunden wurde. Aus seiner Erfahrung heraus ist er angesichts der Aluminiumspuren sicher, dass jedenfalls ein Schalldämpfer zum Einsatz kam.
Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe hatte am 4. November 2011 in Zwickau die Wohnung angezündet, in der sie unter falschem Namen mit Mundlos und Böhnhardt gelebt hatte. Stunden zuvor hatte die Polizei in Eisenach die Leichen der beiden NSU-Mörder in einem brennenden Wohnmobil entdeckt.
Die Ceska 83 hatte der Angeklagte Carsten S. im Frühjahr 2000 Mundlos und Böhnhardt in Chemnitz übergeben. Carsten S. hat im Prozess gestanden, die Waffe mit Schalldämpfer und Munition geliefert zu haben. Dass es sich bei diesem Schalldämpfer um denselben handelt, mit dem Mundlos und Böhnhardt auf fünf Migranten schossen und ob es auch der war, der im Brandschutt in Zwickau lag, ist aus Sicht der Bundesanwaltschaft naheliegend. Nur zu beweisen ist es aber offenbar nicht.
Angeklagter Holger G. hat Zeugenschutzprogramm des BKA verlassen
Carsten S. hatte bei seinem Geständnis zu Beginn des Prozesses den mitangeklagten Ex-NPD-Funktionär Ralf Wohlleben stark belastet. Wohlleben soll in Jena die Beschaffung der Ceska 83 organisiert haben. Die Bundesanwaltschaft sagt in der Anklage, der NSU habe eine Pistole mit Schalldämpfer bestellt. Der Einsatz eines Schalldämpfers gilt in Kriminalfällen oft als wichtiges Indiz für die Bereitschaft des Täters, ein Opfer nicht nur zu verletzen, sondern heimtückisch zu ermorden. Laut Bundesanwaltschaft sind Wohlleben und Carsten S. der Beihilfe zu allen neun Morden an den türkisch- und griechischstämmigen Migranten schuldig.
Unterdessen hat der Angeklagte Holger G. das Zeugenschutzprogramm des BKA verlassen. Holger G. verbirgt jetzt im Gerichtssaal nicht mehr seinen Kopf hinter einem Ringbuch, er lässt sich filmen und fotografieren. Das BKA hatte den mutmaßlichen Unterstützer des NSU bewacht und versteckt untergebracht, da nach dessen Geständnis in den Verhören vor dem Prozess Racheakte von Neonazis befürchtet wurden. Holger G. hat nun jedoch, wie in Justizkreisen zu erfahren war, freiwillig auf das Zeugenschutzprogramm verzichtet. Der Grund ist unklar. Im Prozess hat G. sein Geständnis wiederholt, doch er beantwortet keine Fragen. Der Angeklagte Carsten S. hingegen hat tagelang geredet – und er lässt sich weiter vom Bundeskriminalamt schützen.