Trotz Kohleausstieg: NRW bekommt mit Datteln 4 neues Kohlekraftwerk
Bund und Länder haben sich auf den Kohleausstieg geeinigt. Kraftwerksbetreiber bekommen Milliarden – und ein brandneues Kohlekraftwerk.
Der Bund und die Länder mit Braunkohleförderung haben sich auf einen Fahrplan für die Abschaltung von Kraftwerken und damit den Kohleausstieg geeinigt. Die Einigung wurde bei einem Spitzentreffen im Kanzleramt erzielt, wie Regierungssprecher Steffen Seibert nach den rund sechsstündigen Beratungen in der Nacht zum Donnerstag mitteilte.
Die Vereinbarung sieht unter anderem vor, dass das Ende der Kohleverstromung in Deutschland möglicherweise um einige Jahre vorgezogen wird.
Bislang ist als Enddatum für den Kohleausstieg das Jahr 2038 anvisiert. Laut der nun erzielten Vereinbarung solle geprüft werden, ob der Ausstieg möglicherweise schon drei Jahre früher abgeschlossen werden kann, erklärte Seibert.
In dem Treffen habe die Bundesregierung einen "Stilllegungspfad" für die Braunkohlekraftwerke in Deutschland vorgelegt, dem die Ministerpräsidenten der Länder dann zugestimmt hätten, teilte der Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit. Die Bundesregierung wolle diesen Plan nun mit den Betreibern der Kraftwerke und Abbaustätten vertraglich festschreiben.
An dem Spitzentreffen bei der Kanzlerin hatten die Länder-Regierungschefs Reiner Haseloff (CDU, Sachsen-Anhalt), Michael Kretschmer (CDU, Sachsen), Armin Laschet (CDU, Nordrhein-Westfalen) und Dietmar Woidke (SPD, Brandenburg) teilgenommen.
Kohleausstieg: Hambacher Forst bleibt erhalten
Wie die Deutsche Presse-Agentur am Donnerstag berichtet, bedeutet das aber nicht, dass in Deutschland keine neuen Kohlekraftwerke mehr ans Netz gehen: Das umstrittene Steinkohlekraftwerk Datteln 4 in Nordrhein-Westfalen soll demnächst seinen Betrieb aufnehmen. Das erfuhr die dpa aus Verhandlungskreisen.
Laut den Unterlagen für den Ausstieg würden in den kommenden zehn Jahren 19 Kraftwerke vom Netz gehen. In den 2030ern wären es elf Kraftwerke.
Die Betreiber der Kraftwerke werden Milliardenentschädigungen für das vorzeitige Abschalten ihrer Anlagen bekommen: Finanzminister Olaf Scholz sagte am Donnerstag in Berlin, Betreiber westdeutscher Kraftwerke erhielten 2,6 Milliarden Euro, Betreiber von Anlagen im Osten 1,75 Milliarden.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet bezeichnete die Einigung von Bund und Ländern zum Kohleausstieg als „wichtigen Durchbruch“ für den Klimaschutz. Der Politiker sagte der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag: „Wir haben uns auf ein Paket der Vernunft geeinigt, das die verschiedenen berechtigten Anliegen aus Schutz für das Klima, Strukturstärkung für die betroffenen Regionen und Versorgungssicherheit für unsere Industrie zusammenbringt.“
Laschet: Fahrplan für Kohleausstieg schafft Planungssicherheit
Es sei ein wichtiges Signal, dass der Konsens aus Wirtschaft, Gewerkschaften und Umweltverbänden fast ein Jahr nach der Einigung in der Kohlekommission endlich politisch eins zu eins umgesetzt werde. „Darauf haben gerade die Menschen in den betroffenen Regionen in Ost und West lange gewartet.“
Laschet sagte, die mit der Bundesregierung erzielte Vereinbarung schaffe Planungssicherheit: „Für die Beschäftigten in den Kraftwerken und Tagebauen, die jetzt schnell Gewissheit darüber erhalten werden, wie ihre berufliche Perspektive aussieht. Für die Energieversorger, die eine verlässliche Basis für die weitere Unternehmens- und Investitionsplanung erhalten. Für die betroffenen Kohleregionen, die verlässliche Finanzierungszusagen zur Gestaltung des Strukturwandels erhalten.“
Vereinbart wurde laut Regierungssprecher Seibert auch, dass der Hambacher Forst im rheinischen Braunkohlerevier nicht für den Tagebau gerodet werden soll. Das Waldgebiet war zu einem Brennpunkt des Protests von Klimaschutzaktivisten gegen die Kohlewirtschaft geworden.
Laschet schrieb nach der Nachtsitzung im Kanzleramt im Kurzbotschaftendienst Twitter: "Nordrhein-Westfalen geht voran bei Ausstieg aus Kohleverstromung und CO2-Reduktion. Hambacher Forst bleibt erhalten."
40 Milliarden Euro für vom Kohleausstieg betroffene Regionen
Die Bundesregierung bekräftigte zudem laut Seibert ihre Zusage, die vom Kohleausstieg betroffenen Bundesländer und Regionen im Zeitraum bis spätestens 2038 mit einer Gesamtsumme von 40 Milliarden Euro zu unterstützen. Sie sagte demnach ferner zu, dass sie Beschäftigten im Braunkohle-Tagebau und in Braunkohle- wie Steinkohlekraftwerken ein sogenanntes Anpassungsgeld zahlen wird. Dieses solle bis 2043 gezahlt werden. Für Beschäftigte im Steinkohle-Bergbau gibt es diese Zahlungen bereits.
Den Gesetzentwurf zum Kohle-Ausstieg will die Bundesregierung nun noch im Januar auf den Weg bringen, wie Seibert ferner mitteilte. Das Gesetzgebungsverfahren solle im ersten Halbjahr 2020 abgeschlossen werden.
Im Vorfeld des Kohle-Gipfels hatten Vertreter der Kohle-Länder auf mehr Planungssicherheit gedrungen. Schon vor einem Jahr war im sogenannten Kohlekompromiss der schrittweise Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2038 beschlossen worden. Seitdem hatte es aber in den Planungen für die Umsetzung immer wieder Zwist zwischen Bundesregierung und Bundesländern sowie auch innerhalb der Bundesregierung gegeben. (Tsp, mit dpa und AFP)